UA-176845053-2 Psychische Gesundheit - Mens Mental Health

Psychische Gesundheit – früher und heute

Wohlbefinden ist zentral

Das menschliche Wohlbefinden hängt seit jeher eng mit seiner sozialen und psychischen Befindlichkeit zusammen. Unter dem Begriff der psychischen Befindlichkeit werden kognitive, emotionale und mentale Zustände sowie die Persönlichkeitseigenschaften und selbstbezogene Merkmale verstanden. Die soziale Befindlichkeit bezieht sich auf soziale Ressourcen wie Familie, Freunde, Arbeit, Wohnen, Finanzen und die Qualität des sozialen Netzwerks.

Schon Hippokrates (ca. 460 – 370 v. Chr.) hatte den engen Zusammenhang von seelischer und körperlicher Gesundheit erkannt und kann zu Recht als Entdecker der Psychosomatik gelten. Ihm wurde klar, dass es keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit gibt. In römischer Zeit hieß es „mens sana in corpore sano“ (In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“). Beide Bereiche sind eng verbunden, beeinflussen sich gegenseitig und bilden ein biopsychosoziales System. Dennoch können Menschen mit körperlichen Behinderungen ein hohes Ausmaß an psychischer Gesundheit erreichen insbesondere, wenn sie die Nachteile der Behinderung mental zu kompensieren verstehen. 

Psychische Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Die WHO definiert Psychische Gesundheit als einen „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann“. 

Das Verständnis von psychischer Gesundheit ist also umfassend und mehr als die Abwesenheit psychischer Störungen. Jahoda definierte ganz in diesem Sinne psychische Gesundheit bereits 1958 mit folgenden Kriterien: 

  1. Positive Einstellung zur eigenen Person (Selbstakzeptierung, Selbstvertrauen, positives Selbstbild)

  2. Wachstum und Selbstverwirklichung (Fähigkeit zur Weiterentwicklung und Reifung)

  3. Persönlichkeitsintegration (Nutzung aller Ressourcen, koordiniertes Handeln, in der Folge auch psychische Belastbarkeit)

  4. Autonomie (Selbstständigkeit und Selbstbestimmung)

  5. Adäquate Realitätswahrnehmung (hinreichend objektive Selbst- und Fremdwahrnehmung)

  6. Adaptive Kompetenz (effizientes Problemlösen, Kompetenz in sozialen Interaktionen)

Lange Zeit wurde das Ziel der psychischen Gesundheit für Menschen in der westlichen Welt nicht ausreichend gewürdigt oder abgewertet. Innerhalb der Medizin spielte die Psychiatrie eine Sonderrolle, weil sie wenig zum organmedizinischen Mainstream-Modell beizutragen hatte. Das hat sich durch die Fortschritte der Gehirnforschung geändert. Inzwischen hat sich – auch durch die Zunahme von Krankheitstagen in der Arbeitswelt durch psychische Störungen – das Bewusstsein für die Relevanz dieser Problemlagen gewandelt. 

Subjektives Wohlbefinden 

Subjektives Wohlbefinden und Affektbilanz

Das subjektive Wohlbefinden basiert auf dem Konzept des Hedonismus, der Fähigkeit zu Freude und Genuss. Diese Sichtweise beschreibt, dass der Mensch im Allgemeinen nach der Maximierung von Lust, Freude und Glück im Leben strebt und Schmerzen, Unlust und Leid vermeidet. Bei der Definition der psychischen Gesundheit spielt der Begriff des subjektiven Wohlbefindens einer Person eine zentrale Rolle, wobei dieses eine affektive und eine kognitive Dimension umfasst.

Die Stimmungen und Gefühle, die ein Mensch im positiven wie im negativen aufweist, werden als Affekte bezeichnet. Das Verhältnis der positiven und negativen Affekte macht nach Ed Diener, einem führenden Forscher aus USA zur Psychologie des Wohlbefindens, die affektive Dimension des Wohlbefindens aus. Dieses – auch Affektbilanz genannte - Verhältnis der positiven zu negativen Affekten im Alltag eines Menschen macht die hedonische oder anhedonische (d.h. freudvolle vs. freudlose) Qualität im Leben von Menschen aus. Die Affektbilanz lässt sich mit Tagebuchmethoden, Stundenprotokollen oder auch Life-Tracking-Methoden messen. Sie sollte langfristig positiv sein, kann sich in Krisen aber verändern.

Neben der Affektbilanz ist der kognitive Aspekt des Wohlbefindens für Menschen zentral. Darin drückt sich die subjektive Bewertung des eigenen Lebens, der Lebenszufriedenheit, insbesondere über längere Zeiträume, aus. Die subjektive Lebenszufriedenheit ergibt sich aus der Einschätzung der eigenen Lebensbedingungen und der Zufriedenheit mit der eigenen Lebensgestaltung. Diese evaluative Komponente in Bezug auf das eigene Leben hängt eng mit den subjektiven Werten und Zielen zusammen. 

Allgemeine und spezifische Lebenszufriedenheit

Um der Vielfältigkeit der möglichen subjektiven Bezüge von Lebenszufriedenheit gerecht zu werden, wird oft zwischen allgemeiner und bereichsspezifischer Lebenszufriedenheit unterschieden. Die allgemeine Lebenszufriedenheit bezieht sich summarisch auf alle wichtige Lebensbereiche und stellt einen Durchschnittswert der relevanten Bereiche dar. Die bereichsspezifischen Lebenszufriedenheiten beziehen sich auf einzelne Bereiche, wie Arbeit, Familie, Partnerschaft, Freizeit, Finanzen, Gesundheit, Sozialbezüge usw.  Welche Lebensbereiche („life domains“) für eine Person im Vordergrund stehen, kann je nach Alter, Geschlecht und Sozialschicht variieren und ist bei der Bestimmung der subjektiven Lebenszufriedenheiten zu berücksichtigen.  

Psychisches Wohlbefinden

Das Wohlbefinden von Menschen ist zentral für die Gesamtheit der psychischen Gesundheit. Dabei führt psychisches Wohlbefinden zu subjektivem Wohlbefinden, so dass der intrapsychischen, mentalen Komponente die zentrale Bedeutung zukommt. Dieners Konzept des subjektiven Wohlbefindens mit einer affektiven und kognitiven Dimension bezieht sich auf die übliche Vorstellung von Glück.

Hinzu kommen Flow-Erlebnisse als akute, tief spürbare Höhepunkte des Glückserlebens. Die amerikanische Psychologieprofessorin Carol Ryff beschäftigte sich mit der Frage, aus welchen Bestandteilen das psychische Wohlbefinden von Menschen sich zusammensetzt. Ryff (1989) fasst dabei psychisches Wohlbefinden breiter und überdauernder als subjektives Wohlbefinden. Die Dimensionen des psychischen Wohlbefindens hinsichtlich hoher Ausprägungen sind:

(1) Autonomie – Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit, Widerstandsfähigkeit gegenüber sozialem Druck, hohe Selbststeuerungsfähigkeit, Selbstevaluation durch stabiles Wertesystem. 

(2) Flexible Bewältigung der Anforderungen der Umwelt im Lebenslauf – Hohe Kompetenz mit verschiedenen Anforderungen, gute Kontrolle über Stressoren, Zugang zu Ressourcen 

(3) Persönliches Wachstum – sieht sich als entwickelnde Person, berichtet über Wachstum und Expansion, Offenheit für neue Erfahrungen, kann seine Potentiale erkennen und realisieren, verändert und erweitert seine Potentiale über die Zeit im positiven Sinne, verändert sich durch Selbsterkenntnis und Selbstwirksamkeit

(4) Positive Beziehungen zu anderen – warme, intensive und vertrauensvolle Beziehungen mit anderen, kümmert sich um das Wohlergehen nahestehender Personen, fähig zu Empathie, Mitgefühl und Intimität, versteht und beachtet die Wechselbeziehung von Geben und Nehmen in persönlichen Beziehungen 

(5) Selbstakzeptanz – Positive Einstellung zu sich selbst, Anerkennung und Akzeptanz aller Facetten des eigenen Selbst, positiver Bezug zum eigenen Lebenslauf

(6) Sinnerfülltheit im Leben – Ziele und Gerichtetheit im Leben, Erkennen von Bedeutungen im Leben und in der eigenen Vergangenheit, Werte in Bezug auf Lebensinhalte und Lebenszweck, aktuelle und überdauernde Sinnerfülltheit des eigenen Lebens. 

Diese Dimensionen des psychischen Wohlbefindens weisen eine weitgehende Ähnlichkeit zu den schon von Jahoda vorgelegten Merkmale der psychischen Gesundheit dar. Sie differenzieren die Kernmerkmale bestenfalls und bringen sie in Bezug zu Kernkonzepten der Positiven Psychologie, die sich mit den Fragen des gelingenden, gesunden Lebens beschäftigt. 

Zweifaktorentheorie des menschlichen Wohlbefindens: Hedonie und Eudaimonie

Wie schon bei den dargestellten Ansätzen deutlich wurde, herrschen oft bipolare Einflüsse auf das gelingende Leben vor: Allgemeine und spezifische Lebenszufriedenheit, Selbst- und Fremdbezug, Affekte und Kognitionen. Ganz ähnlich wird dies im Zweifaktorenmodell von „pleasure“ and „happiness“ nach Seligman & Csikszentmihályi (2001) und Ryan & Deci (2001) gesehen: 

Dabei wird davon ausgegangen, dass zwei Hauptströmungen für menschliches Wohlbefinden verantwortlich sind. In der hedonistischen Sichtweise stehen das Erleben von Vergnügen und Lust beziehungsweise die Erfüllung von subjektiv empfundenen Bedürfnissen im Vordergrund und führen zu subjektivem Wohlbefinden. Im Gegensatz dazu legt die eudaimonische Sichtweise ihren Schwerpunkt auf Bedürfnisse, die in der menschlichen Natur verwurzelt sind und im Falle der Verwirklichung zu Wachstum und Eudaimonie führen. Eudaimonie bezeichnet das umfassende Wohlbefinden von Menschen und kann mit dem Begriff Glückseligkeit erklärt werden. Wohlbefinden ist demnach im Ausdruck von Tugenden gegründet – das bedeutet, das zu tun, was wertvoll ist und in Übereinstimmung mit dem wahren Selbst zu leben. Diese beiden Bereiche sollen beide verfolgt und möglichst in Balance zueinander gebracht werden.

Psychisches Wohlbefinden ist eine Daueraufgabe

Über die Lebensspanne: Aufblühen und Wachsen

Bei vielen Menschen geht die biologische und psychologische Entwicklung Hand in Hand. Dann wird von Flourishing („Aufblühen“) gesprochen. Dies ist der Idealzustand der Entwicklung menschlichen Wohlbefindens, in Harmonie mit sich und der Umwelt. Damit ist auch psychisches Wohlbefinden unabhängig von konkret vorliegenden Krankheiten verstehbar, da das Aufblühen stets vor dem Hintergrund der konkreten Ausgangsbedingungen und Potentiale zu sehen ist.

Andere Autoren unterscheiden zwischen verschiedenen Ebenen des Wohlbefindens: Emotionales Wohlbefinden, subjektives Wohlbefinden, funktionales Wohlbefinden und soziales Wohlbefinden. Diese breite Betrachtung von Wohlbefinden macht es möglich, psychologische, leistungsbezogene und soziale Einflüsse zu berücksichtigen.

Für Männer ist dieses breite Verständnis des Wohlbefindens als Balance der verschiedenen Lebensbereiche – innerlich und äußerlich – wichtig. Es bedeutet, dass der Mann seine Gefühle wahrnimmt und akzeptiert, er zur Regulation seiner Gefühle fähig, konfliktbereit und –fähig ist, für ihn wichtige Aufgaben im Leben gefunden hat und starke und belastbare Sozialbeziehungen hat. Letzteres können Partnerschaften und Freundschaften darstellen, wobei die Fähigkeit zum kreativen und erholsamen Alleinsein wichtig ist. Männer brauchen die Fähigkeit zur Selbstfürsorge, zur Konzentration auf sich, um eine Gesamtbalance im Leben zu finden. 

Mann, was tun?

Die Bedingungen für psychische Gesundheit sind also inzwischen ausführlich erforscht. Wie können Menschen dies nun für sich umsetzen, Männer insbesondere? Ausführliche Antworten finden Sie in den beiden Specials „Praktische Tipps“ und „Umgang mit Emotionen“. Psychische Gesundheit ist so wichtig, dass man jeden Tag etwas dafür tun kann und auch sollte. Hier die wichtigsten Dinge:

(1) Positives Denken – auch in Anbetracht von Krisen und Problemen, denken Sie an Positives!

(2) Entspannung – durch angenehme Gedanken, Phantasien oder auch Muskeltraining

(3) Viel Bewegung – im Alltag oder bewusst beim Sport, bis ins hohe Alter. Beginnen Sie jedoch langsam und steigern sich!

(4) Gesunde Ernährung – weniger ist manchmal mehr. Achten Sie auf Qualität und genießen Sie!

(5) Spaß und Humor – vergessen Sie das Lachen nicht, gerade wenn es scheinbar nichts zu lachen gibt. Der Humor kann mit ganz kleinen Dingen beginnen. Er ist eine Lebenseinstellung!

(6) Rekreation und Selbstfürsorge – Kümmern Sie sich gut um sich selbst, schützen Sie sich vor chronisch negativen Einflüssen, schaffen Sie die Freiräume für sich, die Sie brauchen!

(7) Erfolg und Leistung – Suchen Sie nach Verhaltensweisen, die Ihnen Erfüllung und Bestätigung bringen und verfolgen Sie diese Ziele!

(8) Mit anderen sein – Nutzen Sie Ihre Zeit für angenehme Begegnungen mit anderen Menschen, die Ihnen guttun und die wichtig für Sie sind!

(9) Sinnvolles tun – Finden oder bauen Sie Dinge aus, die Ihnen sinnvoll erscheinen!

(10) Sex nicht vergessen – Sexualität ist die Lustenergie im Leben. Nicht vergessen!

Und bei allem: Niemals blind Leitsätze befolgen! Machen Sie Ihr Ding daraus, Ihr Modell des gelingenden Lebens, indem Sie Ihr eigener Gesundheitsförderer werden. Körperlich und psychisch. Finden Sie die für Sie richtigen Kombinationen und Lösungen. Physisches Workout ist dabei genauso wichtig wie psychisches!

So viel ist klar, 2.400 Jahre nach Hippokrates. Dabei nicht vergessen: Ich als Mann muss – wenn es Probleme gibt - nicht alles alleine schaffen und können. Es gibt vielfältige Unterstützung für ein gelingendes Leben (siehe Kapitel Psychotherapie, Coaching, Selbsterfahrung). Und es ist eine Stärke, dies alles zu nutzen, um zu einem umfassenden Wohlbefinden zu kommen. 

 

 

 

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