Männer sind die geborenen Opfer. Als Soldaten, Arbeiter in gefährlichen Jobs, Wohnungslose, Kranke. Das Problem ist nur, sie wissen es nicht oder wollen es nicht wahrhaben. Männer gerieren sich gerne und immer wieder als das starke Geschlecht oder werden als solches dargestellt. Dies entspricht - bis auf die Tatsache der stärkeren physischen Kraft - aber nicht den empirischen Tatsachen und entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Mythos. Alleine schon der genetische Unterschied zwischen den Geschlechtschromosomen XX und XY lässt die Männer mit ihrer XY-Konstellation in vielen Bereichen labiler und anfälliger sein.
Es gab schon immer mehr Männer als Opfer – ein Tabu der Geschichtsschreibung
Männer als Jäger und Krieger waren schon immer die geborenen Opfer von Herrschaft und Fremdbestimmung. Die Geschichte der Neuzeit lehrt, dass Männer in Kriegen und bei Gewalttaten die häufigsten Opfer waren und immer noch sind. Ihre Lebensaussichten sind kürzer, im Kleinkindalter sterben mehr Jungen, mehr Männer begehen Selbstmord, leiden an Hypertonie, Suchtstörungen und Herz-Kreislauferkrankungen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen: Mehr Männer sind wohnungslos, waren in ihrer Kindheit schon verhaltensauffällig, müssen ohne gleichgeschlechtliches Elternteil (d.h. ihren Vater) aufwachsen, werden kriminell, riskieren ihr Leben in gefährlichen Berufen usw. Und heutzutage hören Männer tagein, tagaus in den Medien – auch und gerade den regierungsnahen -, dass sie Frauen unterdrücken, ungerechtfertigte Privilegien genießen und gefährliche Gewalttäter werden können. Die Diskrepanz zwischen Schein und Sein hat sich in der Geschlechterdebatte deutliche vergrößert. Dies alles ist im Kern Desinformation, um Menschen zu falschen Überzeugungen zu bringen, kurz: um sie zu manipulieren.
Männerhass ist in der postmodernen Gesellschaft salonfähig
Es geht also beim starken Geschlecht eher um Ideologie und Mythos. Aber auch um die Möglichkeit des Männerhasses, der Misandrie, der bei manchen Feministinnen Grundkonstante des Denkens und Handelns darstellt. Diese gesellschaftlich immer weiter um sich greifende Misandrie (Männerhass) bringt dann Generalisierungen in Bezug auf Männer hervor, die diese in toto als toxisch, gefährlich oder patriarchalisch verunglimpfen. Von einzelnen Individuen mit Fehlverhalten wird dabei auf die Gesamtheit geschlossen. Ein wissenschaftlich-statistischer Basisfehler der unzulässigen Generalisierung, der bei anderen gesellschaftlichen Gruppen niemals zulässig wäre! Besonders deutlich zeigen sich misandrische Muster in der Werbung, etwa bei Gillette oder Edeka. Weiße, ältere Männer sind die einzig verbliebene Gruppe, über die sich Werbung, ungestraft lustig machen kann (siehe als Beispiel die Edeka-Werbung „Wir sagen danke“ zum Muttertag). Die Verachtung und Verunglimpfung von Männern hat nicht nur Geschichte, sondern auch System.
Die Wurzeln der heutigen Misandrie liegen im frühen 19. Jahrhundert mit dem Heraufziehen der industriellen Revolution. Bevor Frauen und Kinder Produktionsmittel des Kapitalismus wurden, waren Männer es bereits. Und sie lernten ohne Murren Selbstverschleißung, Selbstherabsetzung und Selbstverleugnung, was sie bis heute noch fest internalisiert haben, jedenfalls sehr viele. Das zeigt sich auch in der Corona-Pandemie. Denn kaum jemand weiß oder erwähnt, dass Männer die häufigsten Opfer der Corona-Pandemie sind. Es gibt keinen öffentlichen Aufschrei, keine Opfer-Rettungskampagne, keine Hilfekampagnen. Dröhnendes Schweigen allerorten!
Geschichte der männlichen Selbstverleugnung
Männer sind es also in der modernen Gesellschaft gewöhnt, die Botschaft zu erhalten, dass sie zurücktreten müssen, sich opfern und sich selbst nicht so wichtig nehmen sollten. Geschmückt wird diese Anforderung dann – so im Gleichstellungsprogramm des Bundesfrauenmisteriums (BMFSFJ) von 2020 – mit der Aussage, dass Männer auch einfach mal die Klappe halten und sich nicht so wichtig nehmen sollten. Obendrein erhalten sie die Botschaft, dass sie durch das Patriarchat ohnehin die Welt beherrschen und neuerdings sogar, dass sie – ähnlich wie bei der alttestamentarischen Erbsünde – in ein sie unbewusst formendes und schuldig machendes Privilegiensystem hineingeboren werden, jedenfalls wenn sie weiße Europäer oder Nordamerikaner sind. Hier ist längst durch die links-identitäre Bewegung eine menschenfeindliche Form des inversen Rassismus etabliert worden. Was dabei im Kern verkannt wird, ist, dass es eine oligarche Elitenherrschaft ist, welche die Zeitläufte im Wesentlichen bestimmt. Deren bestimmendes Wesensmerkmale sind nicht Geschlecht und Gender, sondern Kapital, Medienbeherrschung und gesellschaftliches Empörungsmanagement. Diese Eliten setzen sich aus Männern und Frauen zusammen, welche für die wesentlichen Steuerungen und Regulierungen in der Gesellschaft verantwortlich ist.
Das Titanic-Syndrom: Frauen und Kinder zuerst
Männer haben traditionell in Gesellschaft und Familien immer wieder gelernt, dass sie sich im Alltag oder in Notfällen zurücknehmen und selbstverschleißen sollen. Dies betrifft die Arbeit, die Familie, Hilfe bei Notfällen und im Extremfall auch die rücksichtslose Hingabe des eigenen Körpers oder Lebens im Krieg. Für die Mehrheit der Männer in Geschichte und Kultur bedeutete das Leben Unterdrückung und Opferrolle. Sinnbildlich wurde der kulturell vermittelte geringere Wert eines Männerlebens in Sklaverei, Krieg und Industrialisierung. Ins kollektive Bewusstsein hat sich diese kulturelle Kardinalregel am stärksten mit der Rettungsparole „Frauen und Kinder zuerst“ beim Untergang der Titanic 1912 gebrannt. Dabei wurde der geringere Wert ihres Lebens dadurch bestimmt, dass sie erwachsen sind (weniger Lebenszeit als Kinder) und keine Kinder gebären können (weniger bevölkerungsrelevant als Frauen).
Über die Kulturgeschichte seit der Sesshaftwerdung haben Männer intensiv gelernt und internalisiert, dass sie weniger wert sind und ihr Leben fremdverfügbar ist. Die Emanzipation der Männer ist auch heute noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie bemerken, wie sehr sie sich durch die Übernahme von Anforderungen in Bezug auf maximale Leistungen in Beruf und Familie selbst verschleißen und dabei die eigenen Bedürfnisse vernachlässigen oder gar bis zu völligen Selbstaufgabe verleugnen. Die transgenerationalen Selbstverschleißungseffekte der klassischen Männerrolle sind noch längst nicht überwunden. Das verursachende Problem ist nicht das Patriarchat, sondern die tiefengesellschaftliche Oligarchenherrschaft, die den multipel von Stressoren bedrohten Männern die Fremdbestimmung ihres Lebens beschert.
Der selbstlose und sich aufopfernde Mann im Heute
Die traditionellen männlichen Einstellungen und Rollenmuster haben nachgelassen, Männer haben mehr Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten und Ziele zu verwirklichen. Aber wir wissen nicht, wie weit diese Entwicklung zur Gleichstellung führt und ob sie im Krisenfall nicht doch wieder zum Archetyp des „selbstlosen Ritters“ oder „altruistischen Edelmanns“ regrediert, was im Kern nur die Selbstaufopferung der Männer als das verfügbarere Geschlecht kulturell verbrämt. Jedenfalls gibt es nunmehr einen interessanten Bereich, bei dem es sogar um Leben und Tod, besser um das Überleben, geht, an dem sich die traditionellen vs. postmodernen Werte beweisen können. Es handelt sich um die COVID-19 Impfungen. Nach allen vorliegenden Mortalitätsstatistiken sterben mehr Männer als Frauen an der Erkrankung.
Corona-Pandemie als Testfall für die klassische Männerrolle?
Die Mortalitätsquoten schwanken um 65% für Männer an der Gesamtzahl der Todesopfer. Männer haben im Verhältnis zu Frauen ein 2.3-fach erhöhtes Risiko im Falle einer Infektion an dem Virus oder Begleit- und Folgeerkrankungen zu versterben. Wie eine Arbeitsgruppe am Robert-Koch-Institut (RKI) um Dr. Alexander Rommel im Februar 2021 publizierte, verloren die an COVID-19 Verstorbenen Personen durchschnittlich 9.6 Lebensjahre durch frühzeitigen Tod, die Männer dabei 11.0 Jahre, die Frauen 8.1 Jahre. Diese als Burden-of-Disease bezeichneten Berechnungsmethoden analysieren die Implikationen bestimmter Erkrankungen auf Lebensqualität und Frühsterblichkeit.
Es handelt sich bei diesen Geschlechtsunterschieden um ein markantes Beispiel gesundheitlicher Ungleichheit zu Lasten der männlichen Bevölkerung. Dabei gibt es in den Infektionszahlen keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Das erhöhte Sterberisiko für Männer gilt über alle Altersgruppen ab dem 18. Lebensjahr bis zu den 79-Jährigen. Danach gleicht sich das Risiko zwischen den beiden Geschlechtern scheinbar an und in der höchsten Altersgruppe (90 bis 99 Jahre) sind mehr Frauen betroffen. Dies ist aber ein Scheineffekt, der in den RKI-Statistiken nicht aufgeklärt wird. Denn in der Gruppe der 90- bis 99- Jährigen liegt der absolute Anteil von Männern deutlich geringer. Immerhin sind 73% der über 85-Jährigen in Deutschland Frauen.
In der Tabelle des RKI sind die relativen Wahrscheinlichkeiten auf der Basis der tatsächlichen Bevölkerungsanteile von Männern und Frauen leider nicht wiedergegeben. In der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen, wo der absolute Anteil der Frauen in der Gesamtbevölkerung bei ca. 55 % liegt, weisen die Männer hinsichtlich COID-19-Sterblichkeit einen Anteil von 72% (RKI- Daten vom 01.12.2020) auf. Die Ursachen für diese erhöhte Sterblichkeit der Männer im Vergleich zu den Frauen sind nicht vollkommen klar und können nur zum Teil mit dem ungünstigeren Gesundheitsverhalten, der höheren Zahl von Vorerkrankungen und dem ungesünderen Lebensstil der Männer erklärt werden. Weitere Ursachen biopsychosozialer Natur sind zu vermuten und sollten dringend erforscht werden.
Männer beim Impfen bevorzugen!?
Rechtfertigt die signifikant erhöhte COVID-19-Mortalitätsquote der Männer nicht eine bevorzugte Impfung dieser Bevölkerungsgruppe? Die Ideologie der Gleichstellungspolitik würde in diesem Fall bei jeder benachteiligten Bevölkerungsgruppe (Migranten, Bildungsferne, Arbeitslose, LGBTIQ) sofort nach einer kompensatorischen Quote rufen, welche die Benachteiligung beseitigen soll. Wäre der Frauenanteil bei den COVID-19-Toten so hoch wie derzeit bei den Männern (65% bis 70%), so hätte die Republik längst eine Quotierungsdiskussion, was die Impfungen angeht. Wir haben sie aber nicht! Unlängst kolportierte der Schriftsteller Ralf Bönt dieses Faktum unter der Überschrift „Männer first“. Die Idee wurde interessanterweise gesellschaftlich kaum aufgegriffen, in den öffentlich-rechtlichen Medien gar nicht. Um es vorweg zu sagen: Ich bin gegen eine solche Quotierung! Sie hätte wie alle Quotenregelungen mehr Nachteile als Vorteile, würde die gesellschaftliche Spaltung vertiefen, Neiddebatten intensivieren. Aber die Idee einer Impfquote für Männer ist geeignet, die strukturellen Probleme und Tabus der Geschlechterdebatten und des Genderismus aufzuzeigen.
Die Alltagsrealität der Pandemie spricht gegen Impfquoten
Ärzte und Pflegeeinrichtungen berichten sogar, dass Männer freiwillig bei den Impfungen zurücktreten, damit ihre Frauen zuerst geimpft werden. Wie ist dieses Phänomen zu erklären? Wie passt es in die mediale Welt der „toxischen Männlichkeit“? Die Antwort: Gar nicht, weil die toxische Männlichkeit ein Kampfnarrativ des radikalen Genderismus ist, um eine ganze Geschlechtsgruppe zu verunglimpfen. Mit anderen Worten: Es gibt keine toxische Männlichkeit als Gruppenphänomen.
Wenn eine Risikogruppe auftritt, die zugleich eine gesellschaftliche Minderheit darstellt und am besten obendrein noch als unterdrückt oder diskriminiert gilt, muss sofort eine Rettungsinitiative gestartet werden, um deren Situation im öffentlichen Bewusstsein und in der Realität zu stärken und am besten ins Gegenteil zu verkehren. So ist es mit dem Feminismus und Genderismus, den sexuellen Minderheiten und Critical Race Theories gewesen und ist es immer noch. Die Ideen sind ehrenwert im Sinne von Moral und Anstand, die Praxis ist katastrophal, schaffen sie doch neue Ungerechtigkeiten, Spaltungen, Zerwürfnisse. Es gibt eben keine absolute Gleichheit, sondern immer nur relative. Gleichwertigkeit der Menschen ist wichtig und unverzichtbar, Gleichstellung jedoch ist eine unrealistische Utopie, rigide Gleichmacherei und schafft neue Hierarchien und Ungerechtigkeiten.
Die angeblich gerechten kritischen Identitätstheorien schaffen mehr neue Ungleichheiten, als sie alte beseitigen. Und so funktioniert dieses Prinzip der Identitätstheorien bei den weißen, alten, an Corona sterbenden Männern Europas und den USA eben in ganz anderer Richtung! Sie sind in der sozialpsychologisch notwendigen Gegenposition zu den neuen moralischen Eliten. Sie sind implizit weniger wert, verfügbar, entbehrbar, weil ihnen eine kollektive Schuld aufgrund ihrer vermeintlichen Privilegiertheit zugeschrieben wird. Kurz, wie es in der angelsächsischen Männerforschung heißt: sie sind disposable, können entfernt werden. Sie haben die Sündenbockrolle als Projektionsopfer zu spielen, zur eigenen Selbstwerterhöhung der Anhänger der kritischen Identitätstheorien, die längst zu sozialen Bewegungen zur Sicherung neuer Privilegien mutierten. Was sich auch an den mangelnden gesellschaftlichen Reaktionen auf die erhöhten Sterbequoten an COVID-19 bei Männern zeigt, ist der Gender-Empathy-Gap. Darunter wird verstanden, dass in den gesellschaftlichen Strukturen tief verankert ein geringeres Mitgefühl für Männer herrscht, wenn diese zum Opfer werden. Historisch relevant zeigte sich der Gender-Empathy-Gap an dem Massaker an Jungen und Männern in Srebrenica im Jugoslawien Krieg am 11. Juli 1995. Deshalb wird der 11. Juli auch jährlich – öffentlich kaum bekannt – als Gender-Empathy-Gap-Day begangen.
Und dennoch: Keine Impfquote für Männer
Dennoch bin ich gegen eine Impfquote für Männer. Die Gründe: (1) Ein mehr oder weniger großer Rest von Kavalier, Ritter und Titanic-Passagier schlummert in jedem Mann, (2) es ist unerträglich zu wissen, dass Frauen wegen meiner Bevorzugung als Mann sterben könnten. Auch Männer verfügen über Empathie und Altruismus, (3) trotz der in Politik und Gesellschaft vorherrschenden Quotierungsmanie ist dies ein nachweislich gesamtgesellschaftlich falscher Weg, der statt auf Kompetenzorientierung auf reine Identitätsorientierung fokussiert, und deshalb nicht zu unterstützen, (4) wenn man sonst gegen Quoten ist, kann man hier nicht die Fronten wechseln. Dies wäre völlig unglaubwürdig, (5) eine Quote schafft automatisch neue Ungerechtigkeiten und Neidgefühle, weil andere relevante Unterscheidungsmerkmale – Vorerkrankungen, Immunitäten, Resistenzen - nicht berücksichtigt werden (6) eine neue Quotierung schafft den Ruf nach zehn weiteren Quoten („Hydra-Effekt“) und (7) Quotierung schafft keine Gleichstellung, sondern neuerliche gruppenbezogene Unterschiede.
Im Hintergrund droht der Impfneid
In der akuten COVID-19-Impfsituation trifft der Gender-Empathy-Gap auf die Strukturen der Männerfeindlichkeit bis Männergleichgültgkeit in Gesellschaft und Medien. Und obendrein zeigen viele Männer selbst unbewusst ein Muster an Selbstherabsetzung und Selbstverleugnung, das sie in Erziehung, Bildungswesen und Gesellschaft gelernt haben. Resultat: Völlige Ruhe und Gleichgültigkeit.
Wenn die Infektions- und Mortalitätsquoten in Deutschland aufgrund der zahlreicher werdenden Virus-Mutanten wieder zunehmen sollten, droht eine ernsthafte Impfneid-Debatte. Dies zu verändern ist in Zeiten, in denen Gemeinsinn und Zusammenhalt mehr zählen sollten als Partikularinteressen, ein ernstes Anliegen. Es ist aber auch festzuhalten: Wenn Bundesregierung und EU ihre Hausaufgaben in Sachen Impfung gemacht hätten und ihre Fehler jetzt nicht so schamlos verschleiern würden, gäbe es auch keine Notwendigkeit über die bevorzugte Impfung der häufigsten Todesopfer der Erkrankung nachzudenken und damit auch keine Impfneiddebatte. Nunmehr aber steht sie vor der Tür. Besser wäre es, eine bessere Impfkampagne und mehr Sensibilität für den Gender-Empathy-Gap zu erreichen.