Die Trennung aus einer Partnerschaft ist ein schwerwiegendes emotionales Ereignis, das seelische und emotionale Schmerzen verursacht und bewusst bewältigt werden muss. Für Männer kommt eine Trennung öfter unvorbereitet als für Frauen. Dennoch haben Trennungen meist eine latente Vorgeschichte. Um diese zu verstehen und zu bewältigen, bedarf es eines intensive Reflektions- und Verarbeitungsprozesses, der in der Regel 6 bis 12 Monate dauert. Männer sollten sich diese Zeit nehmen. Um eine Trennung unbeschadet oder sogar mit einem Nutzen zu überstehen, ist es wichtig, diese bewusst zu verarbeiten und daraus Konsequenzen für das eigene Selbst zu ziehen.
Trennungen so häufig wie nie zuvor
Angeblich verlieben sich zwar alle 11 Minuten zwei Singles ineinander, aber gleichzeitig trennen sich – grob geschätzt - alle 11 Minuten zwei Partner voneinander. Es gibt also insgesamt heutzutage eine große Rotation auf dem Partnermarkt. Im Unterschied zu früheren Zeiten hat sich die Lebensabschnittspartnerschaft als zunehmend wichtiges Lebensmodell etabliert. Dies hängt neben der längeren Lebenserwartung vor allem damit zusammen, dass die Menschen heutzutage eher bereit sind, eine dauerhaft unglückliche Beziehung aufzugeben. Dabei erscheinen die wirtschaftlichen Risiken einer Trennung bzw. Scheidung heutzutage besser beherrschbar und es besteht auch noch im höheren Alter die berechtigte Aussicht auf eine neue glückliche Beziehung.
Da unsere Welt insgesamt mobiler und flexibler, aber auch säkularer und fragiler geworden ist, haben sich Partnerschaftskonstellationen ebenfalls verändert. Etwa 40% aller Ehen werden inzwischen geschieden. Bei nicht Verheirateten ist die Trennungsquote deutlich höher. Die Scheidungsquote hat zuletzt zwar insgesamt etwas nachgelassen, nachdem sie zuvor jedoch über Jahrzehnte angestiegen ist. Bei älteren Paaren ist sie jedoch seit einigen Jahren immer noch im Ansteigen begriffen. Gerade langjährig bestehende Partnerschaften scheinen nach dem Auszug der Kinder und um die Zeit der Lebensmitte herum (ca. 45. bis 55. Lebensjahr) stärker als je zuvor auf dem Prüfstand zu stehen.
Immer mehr Bindungsprobleme
Trennungen haben aber auch mit schwächeren Bindungen zwischen den Partnern zu tun. Immer mehr Menschen sind nicht bereit und oft auch nicht in der Lage, sich zu binden. Dann wird ein Leben als Single oder in unverbindlicheren Partnerschaftsformen („Freundschaft plus“ u.ä.) vorgezogen. Dies ist nicht überraschend, da mehr Menschen im Westen als je zuvor in ihrer Kindheit eine unsichere Bindung zu ihrem Beziehungsobjekt (meist die Mutter) erlebt haben. Dies kann durch chronischen Stress der Mutter, wechselnde Partnerbeziehungen, soziale, wirtschaftliche Probleme oder psychische Störungen (Depression, Narzissmus, Sucht usw.) erklärt werden. Aber auch die Gegebenheiten und Anforderungen des modernen Alltags (Allverfügbarkeit für Arbeit), Corona-Lockdown, unzureichende oder instabile pädagogische Betreuung tun ihr Übriges.
Viele Eltern sind zudem ambivalent, was die Priorisierung von Arbeit und Kindern im Alltag angeht. Sie haben dann oft das Gefühl, dass sie keinem von beiden Inhaltsbereichen gerecht werden können und fühlen sich chronisch unzulänglich.
Obwohl sich viele Menschen ungern oder nur mit Schwierigkeiten binden, ist dennoch nicht zu vergessen, dass eine zufriedenstellende Partnerschaft in allen psychologischen Studien einen besonders großen Beitrag zum psychischen Wohlbefinden und Glückserleben beiträgt. Eine zufriedenstellende Partnerbeziehung ist gut für psychische und körperliche Gesundheit, erhöht die Lebensdauer und reduziert den erlebten Stress. Dies gilt aber nur für qualitativ positive Partnerbeziehungen!
Darüber hinaus sind für die psychische Gesundheit Freundschaften und die Beziehung zu Kindern und Eltern besonders wichtig. Mit anderen Worten: Emotional nahestehende Menschen nähren Glück und Wohlbefinden in einzigartiger, nicht ersetzbarer Weise, wobei gleichzeitig auch Autonomie und Selbstständigkeit unabdingbar sind.
Die meisten Männer wünschen sich eine Partnerbeziehung, aber bei weitem nicht alle
Besonders viele Männer befinden sich in einer starken inneren Ambivalenz zwischen Bindungsunlust, Ängsten vor Bindungen und einer Sehnsucht nach einer verlässlichen, tiefen Bindung. Im Hintergrund haben sie oft eine dominante Mutter erlebt, die ihre Autonomie nicht respektiert hat. Das macht Angst vor Bindungen im Erwachsenenalter. Auch negative Erfahrungen mit frühen Partnerbeziehungen kann erschwerend hinzukommen. Dennoch bleibt bei den meisten Männern der Wunsch nach einer zufriedenstellenden Partnerbeziehung.
Andere gehen heutzutage aber auch andere Wege und verzichten bewusst auf neuerliche Partnerbeziehungen. Bekannt wurde in diesem Zusammenhang die MGTOW-Bewegung („men going their own way“). Dies sind Männer, die sich in Partnerbeziehungen manipuliert und unverstanden, durch Trennung und Scheidung wirtschaftlich oder mental ruiniert fühlten und deshalb auf weitere Beziehungen bewusst verzichten.
Die Vorgeschichte einer Trennung
Jede Trennung hat ihre Vorgeschichte. Diese zu erkennen und zu verarbeiten ist sehr wichtig, um die alten Fehler in der Zukunft zu vermeiden. Das häufigste Problem ist, dass die Partner zu wenig Gemeinsamkeiten hatten. Eine starke Ähnlichkeit im Denken und Fühlen ist entscheidend für den Langzeiterfolg einer Partnerschaft. Eine anfänglich sehr intensive Phase der Verliebtheit ist keine Garantie für dauerhaftes Glück, noch nicht einmal für gelingenden Alltag.
Es gibt sehr viele Forschungsergebnisse, die zeigen, dass eine gute Passung zwischen den Partnern die entscheidende Vorausbedingung für einen positven Langzeitverlauf der Partnerschaft ist. Wenn eine Trennung eintritt, macht dies deutlich, dass die Passung zumindest für einen, häufiger für beide Partner, nicht stimmig war. Mit anderen Worten: Das Reservoire an Gemeinsamkeiten war zu gering, oft von Anfang an, manchmal aber entwickeln sich Partner über die Jahre auseinander. Auch zwischenzeitliche Krisen, neue Kontakte und Erfahrungen können eine Beziehung zerrütten. Dabei zeigt die zunehmende Fragilität einer Beziehung aber meist auf das nicht passende Fundament.
Selbstwert und Verhaltenskontrolle neu justieren
Nach einer Trennung verändert sich die innere – und äußere – Welt erheblich. Alles muss neu justiert werden. Deshalb haben die meisten Menschen starke Ängste vor Trennung und oft vermeiden sie diese, obwohl sie im Grunde seit längerer Zeit ansteht. Lieber nehmen sie jahrelanges Leiden in Kauf mit der unrealistischen Hoffnung, dass alles besser wird, als dass sie den Schritt ins Ungewisse wagen. Dabei könnten sie durch die Befreiung von einer chronisch unglücklichen Beziehung genau die Lebensenergie bekommen, die sie brauchen, um sich zu verändern und weiterzuentwickeln. Die Angst vor einer Trennung ist besonders bei Menschen stark, die bislang selbst keine Erfahrung mit einer Trennung hatten und in deren Herkunftsfamilie es keine Trennungen gab.
Trennung bewältigen: Broken Heart
In mehr als der Hälfte aller Fälle gehen Trennungen von der Partnerin aus, Männer initiieren nur in gut einem Viertel aller Fälle die Trennung. In den restlichen Fällen betreiben beide Partner die Trennung mehr oder weniger synchron. Oft ist die Partnerin schon lange im Vorfeld unzufrieden. Trennungsphantasien beherrschen dann ihr Denken und Fühlen. Es kann auch sein, dass sie über längere Zeit einen psychischen Veränderungsdruck auf den Mann ausübt. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass mehr Frauen in bestehenden Beziehungen als Männer von chronischer Unzufriedenheit berichten. Da der Veränderungsdruck aber niemals zu einem dauerhaften Erfolg führt, werden beide noch unzufriedener. Entweder die beiden akzeptieren sich, wie sie sind, oder sie werden dauerhaft miteinander unglücklich.
Für den Mann, dessen Partnerin die Trennung initiiert, bedeutet dies eine besonders schwierige Situation, weil er in einer passiven, erduldenden Situation ist. Er wehrt die Symptome einer kommenden Trennung ab, will diese nicht wahrhaben und glaubt an die Fortsetzung der vorherrschenden Routinen. Auch kann die selbstberuhigende, aber illusionäre Überzeugung bestehen, dass in der Beziehung alles nicht so schlimm ist. Er muss dann die über ihn hereinbrechende Trennung erst als Faktum realisieren, dann Stück für Stück bewältigen und sollte dabei nicht in Depression, Sucht, Vereinsamung oder Suizidalität abstürzen.
Für viele fühlt sich eine nicht einvernehmlich vollzogene Trennung so an, als ob man ihnen das Herz bricht. Tatsächlich nehmen Herz-Kreislauf-Symptome in den Monaten nach einer Trennung bei den Verlassenen zu. Es handelt sich dann – symbolisch gesprochen - um ein gebrochenes Herz. In der Medizin wird tatsächlich vom „broken-heart-syndrome“ gesprochen. Es handelt sich um ein akutes Stresssyndrom, wie es nach Extremstress auftreten kann.
Bewältigung der Trennung
Um eine Trennung zu bewältigen, braucht es neben der Bereitschaft zur Selbstreflektion vor allem qualitativ vertrauensvolle Freundschaftsbeziehungen. Wenn diese nicht vorhanden sind, kann auch ein geschulter Berater oder Therapeut in Frage kommen. Es geht dann darum, die psychische Krise anzunehmen und zu bewältigen. Selbstwertgefühl und Verhaltenskontrolle müssen wieder gewonnen und neu justiert werden. Der „Verlassene“ ist in der Situation der Enttäuschung, die er oft als END-Täuschung empfindet. Oft ist ein Neuanfang erst einmal kaum vorstellbar. Diese Kränkung ist für ihn wie ein Angriff auf seinen Selbstwert und seine Identität. Auch die Kontrolle über die Folgen seines Verhaltens scheint zu schwinden. Er fühlt sich vielleicht ohnmächtig, manipuliert und ausgenutzt. Es können Bitterkeit und Verzweiflung entstehen, bisweilen auch Rachegefühle und Vergeltungsideen. Wichtig ist es, diesen negativen Emotionen nicht zu folgen, sondern konstruktive Bewältigungswege zu finden, die einen selbst weiter bringen.
Anfangs werden viele Betroffene versuchen, die Trennung wieder rückgängig zu machen, insbesondere wenn es die erste Trennung in der jeweiligen Beziehung darstellt. Sie sollten sich jedoch, wenn es um eine mögliche Wiederannäherung an die Partnerin geht, nicht erniedrigen und schon gar nicht demütigen lassen. Versuchen Sie abzuklären, ob eine Versöhnung und Wiederannäherung überhaupt möglich ist. Wenn es in Ihrer Beziehung zu emotionalen Eskalationen (Wut, Zorn, Geschrei) gekommen ist, führen Sie Gespräche nur unter Anwesenheit von wenigstens einem Vertrauten als Zeugen. Am besten ist eine Person, der beide vertrauen. Wenn es eine solche Person nicht gibt, können Sie auch einen Eheberater, Mediator oder Psychotherapeuten mit Schwerpunkt Paartherapie hinzuziehen.
Tipps für die erste Zeit nach einer Trennung, die nicht von Ihnen ausging
Zum Abschluss fünf Tipps für Sie, wie Sie eine Trennung am besten bewältigen…
Tipp 1:
Nehmen Sie die Trennungssituation als eine Herausforderung an, die Sie bewältigen können! Wenn Ihre Partnerin keine Fortführung der Beziehung wünscht, akzeptieren Sie dies! Sie können jetzt lernen, innerlich loszulassen und sich selbst weiter zu entwickeln. Sie werden zunächst vielleicht versuchen, Ihre Partnerin wieder zurückzugewinnen. Wenn Sie neuerlich zurückgewiesen werden, unterlassen Sie weitere Versuche! Dies ist für Sie nur verletzend und entwürdigend. Stalking geht gar nicht, auch wenn es sie wie einen Zwang anzieht. Unterlassen Sie Kontrollen, Nachstellungen und Ähnliches! Nutzen Sie diese Zeit für sich selbst!
Tipp 2:
Trinken Sie in der Nachtrennungszeit bewusst für einige Zeit keinen oder wenig Alkohol und verzichten Sie auch sonst weitgehend auf Substanzkonsum! Sie sollten auch Ihren Medienkonsum und andere exzessive Verhaltensweisen (Glücksspiel, Kaufen, Pornokonsum) zügeln. Sie brauchen jetzt einen klaren Kopf! Suchen Sie stattdessen reale Kontakte zu vertrauten und vertrauenswürdigen Personen (Freunde, Berater)!
Tipp 3:
Nutzen Sie die Zeit zur Selbstreflektion! Wie ist es zur Trennung gekommen? Was hat sie zusammengeführt, wie war die Passung mit der Partnerin? Nehmen Sie Ihren Schmerz und Ihre jetzigen Gefühle bewusst wahr. Wenn sie voller Bitterkeit sind, versuchen Sie, diese Gefühle, die auf Enttäuschung und Verletztheit beruhen, nach und nach loszuwerden. Die Bitterkeit wird sie innerlich zerfressen und beschädigen. Deshalb sollten sie nicht daran festhalten.
Schreiben Sie Ihre Gedanken und Gefühle auf! Tun Sie Gutes für sich, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Je bewusster Sie an der Bewältigung der Trennung arbeiten, desto eher kommt das Licht am Ende des Tunnels. Selbstfürsorge ist jetzt besonders wichtig.
Tipp 4:
Gehen Sie nicht zu schnell eine neue Partnerbeziehung ein! Sie nehmen zu viele ungelöste Probleme von der alten in die neue Beziehung mit hinüber. Es ist wie mit einem übervollen Rucksack, den Sie weiter mit sich rumschleppen. Dies belastet eine neue Beziehung dann später. Machen Sie sich klar, was Sie jetzt wirklich brauchen. Meist geht es um gute, vertrauensvolle Gespräche, Nähe, Verstanden werden, nicht alleine sein müssen, wenn Sie es nicht wollen. Aber auch das Alleinsein bewusst zu erleben, kann wichtig sein.
Tipp 5:
Vermeiden Sie zu vereinsamen! Gerade wenn die Trennung nicht von Ihnen ausgegangen ist, besteht besonders bei Männern die Gefahr eines dauerhaften Rückzugs und der sozialen Isolation. Das tut Ihnen aber auf Dauer nicht gut. Zeit für sich ja, aber kein dauerhafter Rückzug! Nutzen Sie die Trennung als Chance für Ihre persönliche Inventur und Weiterentwicklung! Sie können gestärkt aus dieser Krise, die sich auch wie ein Tiefpunkt anfühlen kann, hervorgehen.
Literatur
Meyer, Thomas (2019, 3. Auflg.). Trennt Euch! Ein Essay über inkompatible Beziehungen und deren wohlverdientes Ende. Zürich: Salis.