UA-176845053-2 Impulsivität: Wie gehe ich als Mann damit um?

September 5

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„Ich werde immer so schnell wütend“ – Impulsivität und wie damit umgehen (Männerrat #11)

Viele Männer haben ein Problem mit ihrer Wut. Es kann sich um schnelles wütend Werden oder lange unterdrückte Wut handeln, die sich dann immer wieder eruptiv entlädt. Diese Männer werden in manchen Situationen so wütend, dass sie sich nicht mehr kontrollieren können. Es kann passieren, dass sie verbal oder körperlich ausrasten, andere beschimpfen, herumschreien oder schlagen. Dies ist ein Muster mangelnder emotionaler Kontrolle und Selbstkontrolle. Diese emotionale Unterkontrolliertheit führt dann zu schnellen Impulsdurchbrüchen, oft aggressiver Natur. Manche wissen um ihre Schwäche, die sie dann oft mit dem Satz „ich werde immer so schnell wütend“ beschreiben.

Impulsives Verhalten wirkt auf Außenstehende situativ unpassend, unkontrolliert und unbedacht. Es kann zu sozialer Isolation, Zurückweisung oder Angst bei den Anderen führen. Personen mit hoher Impulsivität fühlen sich schneller provoziert als andere und haben dann eine niedrige Auslösungsschwelle für Aggression. Schon der Volksmund sagt: „Wer schreit, hat Unrecht“. Da ist sicher viel Wahrheit dran, auch wenn es nicht immer stimmen muss. 

Impulsivität und wie damit umgehen? - Ziel „Selbstkontrolle“

Es ist eindeutig besser, einerseits mehr Kontrolle über sich zu haben, andererseits sich aber auch adäquat behaupten und ausdrücken zu können. Andererseits gibt es immer mehr Männer, die emotional überkontrolliert sind. Sie zeigen ihre Gefühle lange Zeit gar nicht, unterdrücken sie sehr stark und kommen dann eventuell in Situationen der Überreizung zur Eruption mit starken Durchbrüchen von Wut und Aggression. Überkontrollierte Männer zeigen nicht alle diese Form des eruptiven Durchbruchs von Emotionen.

Im Extremfall fressen sie alles nach innen, was für ihre psychische Gesundheit sehr schädlich sein kann. Wie die Zweiteilung in emotionale Unter- und Überkontrolliertheit schon zeigt, ist das Ziel die gelingende Emotionsregulation. Das Ziel sollte eine gut regulierte Selbstkontrolle vor dem Hintergrund adäquatem Emotionsausdrucks und Sozialverhaltens sein, bei dem der Einzelne weder zu unkontrolliert und angsterzeugend noch zu überkontrolliert und selbstschädigend handelt.

Wie kommt es zur hohen Impulsivität?

Unter Impulsivität wird eine Persönlichkeitseigenschaft verstanden, die sich durch die weitgehende Unfähigkeit, Handlungen zu kontrollieren, auszeichnet. Impulsivität hat sowohl genetische als auch psychosoziale Ursachen. Hohe Impulsivität kann also als Anlage vererbt werden. Dann hatte oft schon ein Eltern- oder Großelternteil diese Neigung. Aber auch die erlebte Sozialisation und Erziehung kommen begünstigend hinzu.

Obwohl Männern oft mehr Impulsivität zugeschrieben wird, haben sich in der Persönlichkeitsforschung keine stabilen Unterschiede zwischen den Geschlechtern gezeigt. In einem Teil der Studien ergibt sich, dass Männer insgesamt impulsiver reagieren, während ein größerer Teil von Studien keine stabilen Geschlechtsunterschiede erbringt. Es gibt aber bei hochimpulsiven Menschen Unterschiede in den Ausdrucksformen des Problems: Männer zeigen mehr riskantes Verhalten als Ausdruck von Impulskontrollproblemen, während Frauen tendenziell mehr hyperemotionales Verhalten aufweisen.

Im Regelfall reichen die Probleme mit der Impulskontrolle bis in die Kindheit und Jugend zurück, wo sie sich in unangemessenem Essen, Weinen, Schreien und Masturbieren, aber auch in grundsätzlichen Problemen mit Anpassung und Frustrationstoleranz gezeigt haben. Besonders Auffälligkeiten mit Bedürfnisaufschub und Selbstkontrolle sind symptomatisch für frühe Impulskontrollprobleme.

Die konkreten impulsiven Handlungen werden meist durch negative Gefühle, wie Ärger, Wut oder Zorn ausgelöst. Oft geht es auch um sofortige Bedürfnisbefriedigung, etwa wenn es sich um Alkoholtrinken, Essen oder Sex handelt. Im späteren Leben wird Impulsivität spontan („die Schuhe muss ich haben!“) oder reaktiv in chronischen Konfliktsituationen („Du bist Schuld!“) ausgelöst. 

Gerade in Konsumsituationen – besonders in Bezug auf Alkohol und andere Drogen – sowie in Situationen, in denen man sich provoziert fühlt, sind impulsive Reaktionen besonders häufig, aber gleichzeitig auch riskant. 

Formen und Konsequenzen impulsiven Handelns

 Impulsives Handeln kann sich einerseits auf die Äußerung von übermäßiger Aggression und Gewalt, andererseits auf mangelnde Kontrolle langfristig selbstschädigender Verhaltensweisen (Masturbation, Pornographiekonsum, Glücksspiel, Konsum von Alkohol und anderen Drogen) beziehen. Oft treten beide Verhaltensprobleme bei denselben Personen auf. Es gibt verschiedene Formen von Impulsivität, die sich auf Emotionsausdruck und soziale Verhaltensweisen beziehen. Diese sind vor allem: 

Formen impulsiven Verhaltens sind (1) Handeln, ohne über die Folgen nachzudenken, (2) kurze, häufige Wutausbrüche, auch bei kleinsten Anlässen, (3) Handeln und Reden, ohne über die Folgen nachzudenken und (4) besondere Risikofreudigkeit. 

Auf konkreter Verhaltens- und Interaktionsebene kann sich erhöhte Impulsivität wie folgt zeigen:

(1) Häufiges Unterbrechen von Gesprächen, ins Wort fallen, nicht ausreden lassen

(2) Schnelles, häufiges Reden in Gesprächen, immer das Wort haben wollen

(3) Hitziges Agieren in sozialen Kontexten, das meist unmotiviert erscheint

(4) „Rot sehen“, auch bei kleinsten Aussagen oder Verhaltensweisen anderer, die dann als Provokationen empfunden werden

(5) Sprechen und Handeln, ohne an die Folgen zu denken. Daher oft Reue dafür im Nachhinein, auch bei Gewaltverhaltensweisen

(6) Riskantes Autofahren, etwa durch Überholen an unübersichtlichen Stellen, durch immer wieder zu schnelles Fahren, Drängeln, Rasen

(7) Schlecht oder gar nicht Abwarten können, beim in der Schlange stehen oder in Wartesituationen beim Arzt oder in einer Behörde

(8) Spontane, unüberlegte Einkäufe, real und online.

Da die gezeigten Verhaltensweisen von der Umwelt meist nicht akzeptiert werden, kommt es oft zu Stigmatisierung und Diskriminierung in sozialen Kontexten. Dies kann schon im Kindergarten und in der Grundschule beginnen, da die entsprechenden Kinder als normabweichend wahrgenommen werden und für die pädagogischen Fachkräfte eine besondere Herausforderung darstellen. Darauf aufbauend entwickeln sich oft Probleme mit sozialer Isolation und Einsamkeit, aber auch Selbstwertdefizite und ein durchgängig negatives Selbstbild können die Folge sein. 

Wie Impulsivität mit psychischen Problemen zusammenhängt

Impulsivitätsprobleme bleiben selten ohne Folgen. Gerade wenn eine Person immer wieder schnell wütend wird, führt dies im Privatleben und in der Arbeitswelt regelhaft zu Problemen. Oft gehen der erhöhten Impulsivität psychische Probleme voraus und in vielen Fällen folgen weitere Probleme. Deshalb ist es wichtig, gerade in der modernen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Anforderungen an Verhaltenskontrolle Impulskontrollprobleme anzugehen und zu lösen. Die Wege dafür werden am Ende des Beitrags aufgezeigt.

Die klinisch psychologische und psychiatrische Forschung zeigt einen engen Zusammenhang zwischen Impulsivitätsproblemen einerseits einzelnen psychischen Störungen andererseits. Hierzu zählen vor allem die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die manische Episode als Ausdruck einer affektiven Störung sowie die Substanz- und Verhaltenssuchtstörungen (vgl. Was ist Sucht? – Die 12 Kernmerkmale zur Entstehung und Behandlung), wie etwa Alkoholabhängigkeit, Glücksspielsucht, Sex- und Pornosucht (vgl. Pornosucht – Fakten, Hintergründe und Hilfen) usw. Die vielfältigen Zusammenhänge von Persönlichkeitsmerkmalen als Risikofaktoren für Suchterkrankungen sind hier beschrieben.

Aber auch bei der Männerdepression („male depression“) können neben den klassischen Depressionsmerkmalen, wie Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, Symptome von Impulsivität auftreten. Dies zeigt sich dann als schnelle Gereiztheit und vermehrter Ärger. Insgesamt kann bei der Männerdepression eine auffällige niedrige Stresstoleranz beobachtet werden, die dann reaktiv zu schnellen Impulsdurchbrüchen führt. 

Fünf Tipps zum Umgang mit erhöhter Impulsivität: Nicht mehr so schnell wütend werden!

Impulskontrolle lässt sich durch systematisches Training und Selbstreflektion verbessern. Eine gute Impulskontrolle ermöglicht das Vorausplanen von Handlungen, die Konzentration auf diese Handlungen und dann vor allem das konsequente Verfolgen von Handlungszielen. Im Alltag ist Impulskontrolle vor allem dann wichtig, wenn es um die Erledigung von Aufgaben geht, die unangenehm oder negativ konnotiert sind. Es geht darum, dass Menschen auch als unangenehm oder nicht lustvoll erlebte Tätigkeiten erledigen können. Die Impulskontrolle ist auch für das soziale Miteinander wichtig, da sie bewirkt, dass das Verhalten den gängigen sozialen Normen angepasst wird. Hier nun fünf Tipps zur Verbesserung des Umgangs mit Impulskontrollproblemen:

Tipp 1:

Übe Dich in Gelassenheit! Am besten durch Entspannung, Meditation und positive Gedanken. Gelassenheit beruht auf der alten antiken Philosophenschule der „Stoa“. Unter diesem Begriff kannst Du eine Menge für Dich selbst und Deine Lebenspraxis lernen. Auch Yoga und Zen- oder Vipassana-Meditation können hilfreich sein.

Tipp 2:

Die Verbesserung im Umgang mit Impulsivität ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Du solltest die hier vorgeschlagenen Methoden immer wieder üben. Dann kommst Du am Ende zum Erfolg. Lass Dich auch von Rückfällen nicht entmutigen! Mach weiter! Es kommt darauf an, einmal mehr aufzustehen als hinzufallen.

Tipp 3:

Achtsamkeit hilft. Am besten vor kritischen Situationen, wenn Du sie heraufziehen siehst, aber auch in den entsprechenden Situationen. Achtsamkeit ist das bewusste im Hier-und-Jetzt-Sein ohne belastende Gedanken an die Vergangenheit und die Zukunft. Besonders wenn die Vergangenheit Schuldgefühle und die Zukunft Ängste erzeugt. Die einfachste Achtsamkeitsübung besteht in ruhigem, langsamem Ein- und Ausatmen. Probiere es mal aus!

Tipp 4:

Wenn Du besondere Probleme mit der Kontrolle Deiner Impulsivität hast, übe Dich gründlich und dauerhaft in der Bewältigung und Regulation des Problems. Positive Erfolgserlebnisse können helfen, dass Du immer mehr Herr im eigenen Haus wirst. Vor allem ist es wichtig, dass Du die Abläufe bis zur impulsiven Handlung verlangsamst und Deine Gedanken als erstes sortierst, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Dies gelingt durch Achtsamkeit (siehe Pkt. 2), Ablenkung oder Verlassen der akuten Situation, in der Du Dich gerade befindest.

Tipp 5:

Aber bewahre Dir die guten Seiten von Impulsivität! Das können Spontaneität, Begeisterungsfähigkeit, vielseitiges Interesse, Kreativität, Improvisationstalent und Neugierde sein. Im sozialen Bereich können es Offenheit, Hilfsbereitschaft und eine mitreißende Art, die imponieren. Wichtig ist, dass Du Deine Impulsivität mit positiven Emotionen (Freude, Freundlichkeit, Überraschung) kombinierst und auslebst. Wenn Du einmal über das Ziel hinausgeschossen bist, mache Deinen Freunden und Deiner Partnerin Deinen Hintergrund deutlich und dass Du an der Kontrolle Deiner übermäßigen Impulsivität arbeitest. 


Tags

Achtsamkeit, Affekte, Emotionsregulation, Impulsivität, Impulskontrolle, Impulskontrollstörung, Männer, Psychische Gesundheit, Selbstkontrolle, Selbststeuerung, Sucht, Unlust, Wut


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