UA-176845053-2 Kummer bei Männern – Ursachen, Formen, Bewältigung

August 20

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Kummer bei Männern – Ursachen, Formen, Bewältigung (Männerrat #10)

Gerade Männer haben oft Kummer. Weil sie zurückgewiesen, verlassen oder sonstwie gekränkt werden. Oder sie sind unglücklich verliebt und ihr Gefühl wird nicht erwidert. Oft sprechen sie nicht darüber, schlucken ihren Kummer runter – nicht selten verstärkt mit Alkohol. Das sollte nicht sein. Das muss nicht sein.

Wortbedeutung und Bedeutungsgeschichte von „Kummer“ und „kümmern“

Kummer ist eine seltsame Emotion. Über den Kummer wird kaum gesprochen, das Wort ist schon fast ausgestorben im Deutschen, im Unterschied zu Depression, Burnout, Trauer usw., die heutzutage häufig Verwendung finden. Dabei bezeichnet das Wort Kummer sehr gut den Zwischenzustand zwischen Betrübnis und Trauer. Kummer war im Mittelhochdeutschen seit dem 13. Jahrhundert üblich und bezeichnete so etwas wie Mühsal oder Not. Es stammt wiederum von dem mittellateinischen Wort „cumbrus“ ab. Im Spätmittelalter entstand auch das Wort „kummern“ (oder „kumbern“). Es bezeichnete zunächst die Person, die Kummer hatte bzw. ertrug. Spätere Ableitungen davon sind bekümmern oder verkümmern.

Sie zeigen die große Bedeutungsvielfalt des psychologischen Problems rund um Kummer. Noch später entwickelte sich das reflexive Wort „sich kümmern“, das sowohl auf sich selbst bezogen (in Kummer sein) verwendet werden kann als auch „sich um eine andere Person sorgen“ bedeuten kann. Hierin zeigt sich dann auch die allmählich entstehende interaktive Bedeutung des Begriffs „kümmern“. Kümmern wird vom selbstbezogenen zum interaktiven Begriff.

Die Emotion Kummer 

Führende Emotionsforscher, wie der amerikanische Psychologe Silvan S. Tomkin (1911 – 1981), stellten schon früh die Hypothese auf, dass Schmerz, Hunger und überhaupt jede intensive, anhaltende negative Emotion angeborene Auslöser von Kummer sein können. Es sind daher das Nichtvorhandensein und der Verlust dieser basalen Bedürfnisbefriedigungen, welches die frühesten Auslöser von Kummer darstellen. Kummer stellt eine soziale Emotion dar, da er mit dem Verlust oder dem Nichtzustandekommen soziale Beziehungen zu tun hat. Kummer ist eine mit Traurigkeit verwandte Form einer negativ erlebten Emotion, die sich von dieser aber durch eine stärkere Protesthaltung gegen den Verlust einer sozialen Beziehung und aktivere Bewältigungsversuche der unerträglichen Situation unterscheidet. Die Reaktionen auf Kummer sind also aktiver als die auf Trauer, der öfter mit sozialem Rückzug verbunden ist.

Kummer in der Psychologie

In der Psychologie wird Kummer auf eine soziale Auslösesituation von Verlassenwerden sogar als eine den Zusammenhalt einer Gruppe fördernde Kraft verstanden. Aus evolutionspsychologischer Sicht führt Kummer dazu, dass den Bedürfnissen einer einzelnen Person, die sich verlassen fühlt, eher mit sozialer Nähe entgegengekommen wird, sobald diese Emotion sichtbar wird. Dies kann am Ende, wenn der Kummer aufgegriffen und beantwortet wird, zu mehr Wohlbefinden durch Teilhabe am Gruppenleben führen. Der Begriff „sozialer Kummer" bezieht sich demnach auf Trennungserlebnisse, wie Nichtakzeptanz im Familienverband, Ausgeschlossensein aus einer peer-Gruppe oder dem Nichtbeteiligtsein bei anderen sozialen Aktivitäten.  

Die entwicklungspsychologische Perspektive

In der Entwicklungspsychologie der frühen Kindheit ist es besonders das Versagen oder der Verlust von ersehnter Nähe zur Objektperson (Mutter), die beim Kind dauerhaften Kummer auslöst. Eine Erinnerung an eine solche auslösende Bedingung, wie auch Erinnerungen oder sogar Antizipationen von kummererregenden Bedingungen, sind auch späterhin in der Lage, diese negative Emotion zu aktivieren. Trennung und Verlust bleiben das ganze Leben hindurch die wichtigsten und häufigsten Ursachen von Kummer. Eine weitere wichtige Ursache für Kummer ist Versagen, sei es real oder eingebildet. In diesem Bereich hängen die Ursachen von den persönlichen Maßstäben des einzelnen ab.

Kummer bei Männern: Die Funktion des Kummers

Dabei erfüllt der Kummer eine zentrale psychologische Funktion. Er erlaubt und ermöglicht die Verarbeitung schwerwiegender negativer Erlebnisse. Besonders häufig geht es dabei um einen Verlust und Kränkungen, aber auch nach chronischem Stress kann es zu einer Kummerreaktion kommen. In der Regel hält Kummer längere Zeit an, auf jeden Fall Stunden, oft Tage. Nach dem Durchleben einer Zeit des Kummers ist das auslösende Ereignis in der Regel bewältigt und der Mensch wird offen für neue Erfahrungen und Erlebnisse. Man spricht dann von gelungener Bewältigung.

Kummer ist eine äußerst wichtige, fundamentale Emotion, die viele Funktionen hat. Er hat sicherlich eine wichtige Rolle gespielt in der Evolution der menschlichen Psychologie gespielt, um die für frühere Menschen häufigen Verlusterlebnisse in Zusammenhang mit Krankheit, Krieg, Gewalt und insgesamt frühen Todesfällen in der Familie (etwa Wochenbetttod der Frauen oder frühen Kindstod) zu bewältigen. Kummer dient weiterhin wichtigen biologischen und psychologischen Funktionen, wie etwa dem Gefühlsausdruck nach Verlusterlebnissen oder der Bewältigung von Trennung und Zurückweisung. Kummer ist nach dem amerikanischen Emotionsforscher Ekman die häufigste negative Emotion.

Ohne Kummer kann sich nach einem Verlust keine neue Sehnsucht, Liebe und Nähe entwickeln und vor allem stabilisieren. Kummer und Traurigkeit werden im Allgemeinen synonym bezeichnet. Aber Kummer ist in der Regel umfassender und länger anhaltend als Traurigkeit. Vermiedener Kummer kann zu dauerhafter Depression führen. Daher ist es wichtig, dass Männer ihren Kummer äußern, um sich selbst besser zu akzeptieren und letztlich auch schwierige Situationen im Leben nachhaltig zu bewältigen.

Angst vor Gefühlen von Männern?

Vor kurzem berichtete mir ein Psychotherapie-Patient, dass eine Frau, die er bei einem Date nach vorheriger Online-Anbahnung kennengelernt hatte, sich entsetzt von ihm zurückzog, nachdem er seinen Kummer in Bezug auf den Verlust eines Freundes mitgeteilt hatte. Sie war von der Emotionalität meines Patienten verstört und negativ berührt. Es war absurd für ihn. Überall hört er, dass Männer mehr Gefühle zeigen sollen, und wenn er es dann tut, erfährt er Zurückweisung und Unverständnis.

Natürlich kann dies als Einzelfall nicht generalisiert werden. Männer können aber beileibe nicht erwarten, dass ihre Gefühlsäußerungen von Frauen positiv empfunden werden. Im Gegenteil, allzu oft stößt es auf Ablehnung, wenn Männer ihre Gefühle zeigen. Die Stereotypen, dass Frauen Gefühle zeigen und Männer nicht, liegen ohnehin allzu oft neben der Realität. Männer sollten ihre Gefühlsäußerungen ohnehin nur von ihrem eigenen inneren Empfinden und nicht den Erwartungen anderer abhängig machen. Natürlich gibt es keinen Automatismus, dass jedes gespürte Gefühl immer geäußert werden sollte. Ob es notwendig oder gut ist, ein Gefühl einer anderen Person gegenüber zu äußern, hängt von vielen Kontextfaktoren ab. Vor allem bedarf es dafür Vertrauen, Vertrautheit und Gegenseitigkeit.

Du als Mann solltest also nicht darauf bedacht sein, in erster Linie die Erwartungen von Frauen zu erfüllen, sondern überlegen, was Deine wichtigsten Bedürfnisse sind, wie und mit dem Du sie teilen willst. Dann macht die Äußerung deiner Emotionen Sinn und ist hilfreich.

Kummer bei Männern: Formen und Themen 

Kummer hat verschiedene Ursachen und Ausdrucksformen. Die wichtigsten sind: Liebeskummer ist eine schmerzhafte Form des Kummers, wenn das Verliebtsein nicht erwidert wird oder eine Romanze von der Partnerin nach kurzer Zeit beendet wird. Die Trennung aus einer längeren Beziehung erzeugt nicht so sehr Liebeskummer, sondern eher Trennungsschmerz, eine hochintensive Form von Kummer. Wie an so vielen Stellen kann hier Kummer in Depression und Verbitterung übergehen.

Der Kummer über ein Verlassenwerden steht dabei im Vordergrund. Dieses wird als ungerecht, aber vor allem als schmerzhaft erlebt. Es erinnert den Jugendlichen oder erwachsenen Mann an frühkindliche Erfahrungen des Verlassenwerdens von der Mutter. Auch Erinnerungen aus früheren Liebesbeziehungen können reaktiviert werden. Eine andere Form des Kummers bezieht sich auf das Nichterwidertwerden der eigenen Gefühle und Sehnsüchte. Dies führt über Kummer schnell zu Einsamkeits- und Wertlosigkeitsgefühlen. Wie Du mit diesen Kummererlebnissen umgehen kannst, liest Du am Ende des Beitrags.

Kummer und Trauer bei Männern 

Männer haben oft eine starke Tendenz, ihren Gefühlsausdruck zu unterdrücken. Dies gilt auch für erlebten Kummer, so dass sie damit alleine bleiben oder gar vereinsamen (vgl. „Raus aus der Einsamkeit – einsame Männer: Probleme und Hilfen“). Männer suizidieren sich nach dem Verlassenwerden von der Partnerin deutlich häufiger als dies umgekehrt der Fall ist. Auffällig ist auch, dass Männer, deren Partnerin im Alter stirbt, in den Monaten danach besonders häufig versterben. 

Insgesamt ist also der Umgang von Männern mit Kummer und Trauer von extremeren Folgen als bei Frauen gekennzeichnet. Zu häufig schämen sich Männer, ihren Kummer anderen gegenüber, sogar im engsten Freundeskreis oder in der Familie, zu zeigen. Daher ist zu schlussfolgern, dass Männer bessere Formen des Umgangs mit Kummer und Trauer finden sollten. Dazu zählen, den emotionalen Zustand mehr mit anderen zu teilen genauso wie die akzeptierendere Selbstreflektion. Letzteres bedeutet, sich selbst in einem Krisenzustand annehmen und akzeptieren zu können und die Krise als Startpunkt für eine persönliche Weiterentwicklung anzusehen und zu nutzen.

Ausdruck von Kummer

Beim Ausdruck von Kummer, den Kinder noch unverfälscht zeigen, sind die Augenbrauen nach oben gebogen. Das Oberlid der Lippen ist nach oben gezogen, und das Unterlid kann nach oben gedrückt erscheinen. Die Mundwinkel sind nach unten gezogen, und das Kinn schiebt sich hoch und drückt dadurch die mittlere Unterlippe nach oben. Der Prototyp des Ausdrucks von Kummer ist natürlich das Weinen.

Jedoch muss man bei Erwachsenen nach weiteren äußeren Merkmalen von Kummer Ausschau halten, da Weinen nicht immer nur Kummer ausdrückt. Weinen kann auch bei Wut, Zorn Trauer und Angst auftreten. Im Erwachsenenalter verändert sich der Ausdruck von Kummer, der im Kindesalter noch unverstellt, sozusagen naturbelassen ist. Er zeigt sich dann indirekt, etwa durch Rückzug, Vermeidung von Blickkontakt oder Tränen in den Augen, ohne dass die Person weint. Die meisten Männer versuchen, ihre Mimik so weit wie möglich zu kontrollieren, oder nachdem sie geweint haben, sehr schnell wieder die Kontrolle zu erlangen.

Weinen ist bei Männern aus geschlechtsspezifischen Gründen seltener. Es ist natürlich nicht erstrebenswert, dass Männer bei kleinsten Anlässen weinen oder die Kontrolle über ihre Mimik verlieren. Allerdings sollten sie sich gestatten, wenn sie von Kummer oder Trauer betroffen sind, diese Gefühle auch zu zeigen, damit Nahestehende dies erkennen und ihnen helfen können. Im Folgenden noch einige konkrete Tipps zum Umgang mit Kummer für Dich im Alltag.

5 Tipps bei Kummer

Tipp 1:

Spüre Deinen Kummer! Laufe nicht vor ihm weg, betäube Dich nicht. Das sind alles nur Scheinlösungen mit kurzer Wirkungsdauer. Wenn Du Dich mit Deinem Kummer beschäftigst, wirst Du am Ende stärker. Du kannst sicher sein, dass er verschwinden wird, wenn Du Dich ihm stellst.

Tipp 2:

So banal es klingen mag, so richtig ist es: Sprechen hilft bei Kummer. Rede mit einer vertrauten Person über Deinen Kummer! Drück Deinen Kummer gegenüber einem Freund oder auch einer Person, die Dir helfen kann (Berater am Telefon, Psychotherapeut) aus! Hier gilt der Satz: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Du wirst die hilfreiche Wirkung schnell spüren.

Tipp 3:

Lass den Kummer nicht zur Depression oder Verbitterung werden! Je früher Du Dir selbst in Deinem Kummer hilfst oder helfen lässt, desto weniger schlimm wird es auf Dauer sein. Bleib nicht alleine in Deinem Kummer! Teile Dich mit und öffne Dich!

Tipp 4:

Nach dem Kummer geht es weiter. Halte die Situation aus, bis Neues kommt! Nutze die Zeit bis dahin zur Selbstreflektion! Du kannst die Selbstreflektion stärken, indem Du Tagebuch schreibst. Was war an jedem Tag wichtig für Dich, was hast Du gut gemacht an einem Tag?

Tipp 5:

Erinnere Deine Erfahrung im Umgang mit Deinem Kummer! Verdränge es nicht! So entsteht Resilienz und Du bist in künftigen Krisen besser gewappnet. Wenn Du einen Menschen findest, mit dem Du Deinen Kummer teilen kannst und umgekehrt, bist Du am Ziel. Bewahre und pflege diese Beziehung! 

Niedrigschwellige Hilfen

Nummer gegen Kummer: Telefon 116111 (für Kinder und Jugendliche)

Telefonseelsorge: 0800 1110111 oder 0800 1110222



Tags

Beratung, Emotionen, Gefühle, Hilfe, Hilflosigkeit, Kummer, Kummerbewältigung, Männer, Psychische Gesundheit, Trauer, Traurigkeit, Zugehörigkeit


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