Was man schon lange weiß: Männer leben im Durchschnitt kürzer als Frauen und sterben knapp fünf Jahre früher. Hauptursache dafür ist die insgesamt ungesündere, weniger selbstaufmerksame Lebensweise vieler Männer – und nicht, wie oft behauptet, das Männerhormon Testosteron. Hier wurden jetzt neuerdings Trends in Richtung Angleichung zwischen Männern und Frauen gefunden. Interessanterweise gibt es dabei große regionale Unterschiede in Europa. Eine europäische Vergleichsstudie unter Beteiligung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in 7 EU-Ländern mit 228 Regionen bringt aufschlussreiche Ergebnisse.
Lange Zeit lang ist die Lebenserwartung von Frauen schneller gestiegen als die der Männer. Besonders seit den großen Erfolgen in Bezug auf die Eindämmung der Wochenbettsterblichkeit für gebärende Frauen ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hat sich die Frühsterblichkeit von Frauen deutlich verringert und damit die durchschnittliche Lebenserwartung erfreulich erhöht. Schnell wurde unter diesen veränderten Umständen deutlich, dass Frauen im Durchschnitt 5 bis 8 Jahre länger leben als Männer. Kriegsereignisse, Berufsunfälle, Suizide, Suchterkrankungen und insgesamt riskantere und weniger selbstachtsame Lebensführung, aber auch hormonelle Unterschiede, wurden für diese relative Frühsterblichkeit der Männer verantwortlich gemacht.
Lebenserwartung ist eine variable Größe
Die Lebenserwartung für Männer in Deutschland beträgt bei Geburt in 2022 durchschnittlich 78.2 Jahre (Frauen 82.9 Jahre). Männer, die das 70. Lebensjahr erreich haben, weisen eine durchschnittliche Restlebenserwartung von 14.2 Jahren (Frauen: 16.8 Jahre) auf. Sie werden also dann durchschnittlich 84.2 Jahre alt. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts aber verringert sich dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern allmählich. Dabei gibt es jedoch erhebliche regionale Unterschiede, so das BiB (Wiesbaden). Dies zeigt, dass die Lebenserwartung von Männern und Frauen, sowohl unter epochalen als auch unter regionalen Aspekten, eine variable Größe darstellt.
Die Bevölkerungsforscher hatten für die neue bevölkerungsbezogene Studie erstmals detaillierte Todesursachendaten für 228 Regionen in 7 europäischen Ländern untersucht. Lagen die Männer hier noch Mitte der 1990er Jahre bei der Lebenserwartung mehr als 7 Jahre hinter den Frauen zurück, so verringerte sich dieser Unterschied in den vergangenen drei Jahrzehnten auf weniger als 5.5 Jahre. Dies entspricht einer Verringerung des Abstands um ca. 25%.
Unterschiede in vielen Regionen
Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Lücke in der Langlebigkeit („longevity gap“) zwischen Männern und Frauen in den untersuchten europäischen Regionen deutlich schwankt. In Süddeutschland, Dänemark und der Schweiz waren die Differenzen der Lebenserwartung mit oft weniger als vier Jahren besonders gering. Ganz besonders gering ist die Lücke mit nur 3.3 Jahren in der Nordwestschweiz (Kantone Basel-Stadt und Basel-Land). Knapp dahinter kommt schon München und Umland mit 3.5 Jahren. Andererseits waren in weiten Teilen von Ostdeutschland, in Tschechien, der Slowakei und Frankreich die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen mit 6.0 und mehr Jahren dagegen fast doppelt so groß wie in den erstgenannten Regionen.
Es zeigten sich auch meist größere Unterschiede in der Langlebigkeit zwischen Männern und Frauen in ländlichen Regionen. „Florierende Großstädte ziehen durch ihre guten Jobmöglichkeiten eher gesunde und qualifizierte Bevölkerungsgruppen an, während strukturschwache Regionen weniger attraktiv für diese Menschen sind“, erklärte Markus Sauerberg vom BiB dazu. Das trägt nach Meinung der Forscher dazu bei, dass in großen Städten oft höhere Langlebigkeit mit geringen Geschlechterunterschieden beobachtet wird.
Ungesundes Verhalten verursacht niedrigere Lebenserwartung
Für die Lebensdauer von Menschen ist das Gesundheitsverhalten ein entscheidender Risikofaktor. Im 20. Jahrhundert waren demnach die Weltkriege und das unter Männern deutlich stärker verbreitete Rauchen ein wesentlicher Grund, dass ihre Lebenserwartung trotz besserer gesundheitlicher Versorgung im Durchschnitt langsamer stieg als bei Frauen. Starkes, abhängiges Rauchen kann die Lebenserwartung um mehr als 10 Jahre verkürzen. Auch arbeiteten Männer durchschnittlich länger, waren mehr von Berufsunfällen betroffen und waren insgesamt mehr Gesundheitsrisiken im Beruf exponiert, wie Schmutz, Schadstoffe, Hitze und Unfällen.
Auch ist schon lange bekannt, dass Männer häufiger an Herz-Kreislaufleiden erkranken. Hier bewirken inzwischen Herzschrittmacher - gerade für Männer – Segensreiches, dass betroffene Männer dadurch nämlich länger leben. Zudem ebbt bei ihnen auch allmählich die raucherbedingte Sterblichkeit ab, da seit Jahrzehnten die Quote der männlichen Raucher sinkt, während sie bei Frauen immer noch hoch ist, vor allem weil diese erst seit der Mitte der 1960-er Jahre verstärkt mit dem Rauchen begonnen haben.
Lebensstile beeinflussen Lebenserwartung stärker als biologische Unterschiede
Langzeitstudien, wie die bekannte österreichische Klosterstudie, haben gezeigt, dass die biologischen Marker und Unterschiede zwischen Männern und Frauen nur einen kleinen Unterschied in Bezug auf die Lebensdauer erklären. So wird dem Testosteron ein Anteil von etwa einem Jahr kürzerer Lebensdauer bei Männern zugeschrieben. Der größere Teil des Unterschieds ist vom Lebensstil und dem Gesundheitsverhalten zuzuschreiben. Traditionell haben Männer ein schlechteres Gesundheitsverhalten, mehr klaglose Selbstverschleißung und weniger Selbstfürsorge gezeigt (vgl. „Männergesundheit – die unbekannte Größe“). Dies scheint sich nun langsam zu ändern.
Die gesundheitsgefährdenden Lebenserwartungsaspekte können grundsätzlich durch eigenes Verhalten und gesellschaftliche Faktoren beeinflusst werden. Wie etwa die gesellschaftlichen Rollen von Männern und Frauen konstruiert sind und konkret gelebt werden, hat einen erheblichen Einfluss auf die Geschlechterunterschiede in der Sterblichkeit. Dazu zählen die Stressfaktoren, die Männer traditionell in der Arbeitswelt belastet haben. Durch traditionelle Rollenzuweisungen und Verhaltenserwartungen besteht für Männer eine Reihe von Benachteiligungen im Bereich Gesundheit und Gesellschaft, die wenig in der öffentlichen Diskussion gewürdigt werden (vgl. „Zehn Gaps und Diskriminierungen von Männern und was dagegen getan werden kann“). So wird auch in heutiger Zeit – fast automatisch – erwartet, dass sich primär oder ausschließlich Männer in Kriegen als Frontsoldaten opfern. Diese als Allverfügbarkeit („disposability“) zu bezeichnende Erwartung hat sich in Zeiten des Ukraine-Krieges als nach wie vor beherrschend erwiesen.
Außerdem sind Männer traditionell mehr durch gesundheitsbeeinträchtigende Verhaltensweisen wie das Rauchen oder der Alkoholkonsum als Frauen belastet. Wenn sich die Rollenbilder annähern – und das geschieht in den wohlhabenden urbanen Zentren Europas – gleichen sich tendenziell auch die Unterschiede der Sterblichkeit von Männern und Frauen an. Bei sehr ähnlichem Rollenverhalten und Selbstverständnis der Geschlechter werden letzten Endes auch die Lebenserwartungen sehr ähnlich werden, wie die BiB-Studie zeigt. Offen bleibt dabei, wie sich unter stärkerem androgynen Rollenverständnis die zwischengeschlechtliche Anziehung entwickeln wird, die letzten Endes der Motor des Begehrens und der zwischengeschlechtlichen Sexualität darstellt. Schon länger zeigt sich ein Rückgang der sexuellen Lust bei Männern, der auch eine Folge der Rollenangleichungen der Geschlechter zu sein scheint.
Hohe Lebenserwartung muss mit hoher Lebensqualität einhergehen
Für die Zukunft ist zu wünschen, dass Männer wie Frauen ihre Lebenserwartung weiter steigern können. Männer können dabei durch achtsame, selbstfürsorgliche Lebensführung und ein reflektiertes Gesundheitsverhalten viel für sich tun, um den beschriebenen Prozess der Angleichung der Lebenserwartungen weiter zu befördern. Eine hohe Lebenserwartung sollte jedoch mit hoher Lebensqualität und anhaltendem Wohlbefinden einhergehen. Dafür sind qualitative Aspekte der Lebensführung (soziale Integration und Teilhabe, Mobilität, Bewegung, Freiheiten, körperliche und psychische Gesundheit) besonders wichtig.
Adresse: BiB Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Friedrich-Ebert-Allee 4 65185 Wiesbaden www.bib.bund.de
Quelle: Sauerberg, M., Klüsener, S., Mühlichen, M., Grigoriev, P. (2023). Sex differences in cause-specific mortality: regional trends in seven European countries 1996 to 2019. European Journal of Public Health, DOI: doi.org/10.1093/eurpub/ckad111
Das ist ja immerhin mal eine gute Nachricht. Wichtig wäre aber, dass die Gesellschaft die Männer beim Schließen der Life Expactancy Gap unterstützt, statt den Fokus vor allem auf die Förderung von Frauengesundheit zu legen.