UA-176845053-2 Männerforschung – Ein fehlendes Kernstück der Genderforschung -

Juni 3

0 comments

Männerforschung – Ein fehlendes Kernstück der Genderforschung

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Genderforschung sich auch mit Männern beschäftigt und Männerforschung im psychologischen, sozialwissenschaftlichen und medizinischen Sinne betreibt. Vorausgesetzt Genderforschung beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Geschlechter und ihrem Verhältnis zueinander, wie dies bei einer adäquaten Definition des Themas anzunehmen wäre. Doch weit gefehlt! In Deutschland fehlt eine akademische Forschung zu den relevanten Aspekten des Mannwerdens und Mannseins nach wie vor fast völlig. Genderforschung ist weitgehend die Fortsetzung des Feminismus früherer Jahrzehnte unter neuen Labels, aber mit den alten Einstellungen und Weltanschauungen. 

Männerforschung: Viel mehr als Urologie gibt es da nicht…

Es gibt, was Männerforschung angeht, traditionell die Urologie, an sich Teile der Andrologie, der Wissenschaft vom Mann, drangehängt hat. Auch Teile der Psychiatrie beschäftigen sich mit andrologischen Fragen. Seit Jahrzehnten versuchen engagierte Andrologen das Fach stärker in der Medizin und der Ausbildung von Medizinstudenten zu verankern. Erfolglos! Es gibt einfach viel wenig solide wissenschaftliche Beschäftigung mit den Männern, die ja immerhin die knappe Hälfte der Bevölkerung darstellen. Google weist aktuell 5.3 Millionen Inhalte zum Stichwort „Feminismus“ aus. Zu Maskulismus werden 11.500 Funde angezeigt, dabei sehr viele direkt in dem Zusammenhang mit Frauenhass und Antifeminismus. Zu Andrologie finden sich 790.000 Beiträge, die meisten davon aus dem Bereich der Urologie. Es wird schnell offenbar, dass hier ein gravierender Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht. Die Beschäftigung mit Männerfragen ist in den Genderwissenschaften traditionell unzureichend abgedeckt, und wenn dann meist mit einer negativen Perspektive auf Männer, wie Frauenhass, Antifeminismus, Sexismus, Gewalt. Es liegt ein eklatanter „Male Research Gap“ vor. Männer sind nicht im Fokus der aktuellen Wissenschaften, zumindest nicht in Deutschland. Weder das Bundesgesundheitsministerium (BMG) noch das Bundesforschungsministerium (BMBF) haben diese Forschungslücke bisher nachhaltig erkannt oder auch nur ansatzweise geschlossen. Außer einzelnen Studien, oft im Nachgang zu einer frauenbezogenen Studie, liegt nichts vor. Es kann zu Recht von einer großen Männer-Forschungslücke gesprochen werden. Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) taucht das Thema „Männer“ noch nicht einmal im Titel auf. Wohl mehr als ein Versehen! Die Vernachlässigung von Männern hat System, wie noch zu zeigen ist.

In den Sozialwissenschaften wird der Mann traditionell negativ gesehen – ohne Aussicht auf Änderung!

Es sieht so aus, dass hier keine wissenschaftlich-akademisch geprägte Offenheit herrscht, sondern stereotype Voreinstellungen das Denken und Forschen – soweit dies überhaupt stattfindet – beherrschen. Besonders desolat ist die akademische Situation in den Sozialwissenschaften. Hier herrscht seit den Tagen des Feminismus der 70er-Jahre der automatische Reflex vor, dass Männer negativ sozialisiert sind, sexistisch, toxich und rassistisch unterwegs sind („Stimmung machen gegen Männer als Geschäftsmodell – toxische Männlichkeit und die gesellschaftliche Realität“) und befreit werden müssen, indem sie zu einem neuen Denken („wokeness“) gebracht werden müssen. Dabei verkennen große Teile der Sozialwissenschaften, dass die Woke-Bewegung alle Merkmale einer radikalen Sekte aufweist. 

Sodann sollen die Männer erkennen, dass sie als weiße Männer ungerechterweise über Privilegien verfügen, die sie nicht erarbeitet und verdient haben, sondern die ihnen ungerechterweise aufgrund von Geschlecht und Hautfarbe zugefallen sind. Auf keinen Fall sollen sich die Männer annähernd so akzeptieren, wie sie sind. Dass die akademische Tiefe und Reflektiertheit derartiger Ansätze nicht besonders stark sind, erschließt sich durch eine kritische Analyse sehr schnell. Zuletzt hat Judith Sevinç Basad dies in ihrem Buch „Schäm Dich!“ deutlich aufgezeigt. Die aktuelle sozialwissenschaftliche Forschung zielt an den Bedürfnissen der heutigen Männer, ihrer Lebensrealität und ihren Entwicklungspotentialen meilenweit vorbei. Sie geht meist von unhinterfragten Vorannehmen aus, die die Männer zu Tätern deklariert, bestenfalls zu Opfern einer tätererzeugenden Sozialisation. Empathie und Interesse an den Bedürfnissen, Lebenskonflikten und Potentialen von Männern finden sich in diesen Wissenschaften so gut wie nur. 

Männerpsychologie – Nicht in Deutschland!

In der akademischen Psychologie ist die Situation in Bezug auf Männerforschung ähnlich desolat. Es gibt deutschlandweit keinen einzigen Lehrstuhl der sich mit der Psychologie des Mannes befasst. Dabei gäbe es viel zu tun: Die Entwicklung von Jungen zu Männern, die zwischengeschlechtliche Interaktion und Anziehung, die Entwicklung von Partnerschaften und die Analyse von Paarkonflikten, die psychischen Störungen, bei denen Männer häufiger betroffen sind. So sind drei Viertel aller Suchtkranken (Alkohol, Drogen) Männer. Dies ficht die an den Universitäten vorherrschende klinisch psychologische Forschung nicht weiter an. Kein Lehrstuhl beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Frage, wie es kommt, dass so viele Männer suchtkrank werden. Sicher lassen sich noch zahlreiche weitere relevante Fragestellungen finden. Wie kommt es zu der akademischen Negation des Männlichen und der mangelnden Beschäftigung mit Männerfragen? Vermutlich galt der „normale Mann“ zu lange als Prototyp des Menschen. Ein großer Fehler. Die Situation in den angelsächsischen Ländern, insbesondere UK und USA, zeigt jedoch, dass es auch anders geht. Neben der Tatsache, dass verschiedene akademische Lehrbücher zur „Male Psychology“ vorliegen, existieren Netzwerke zur Männerpsychologie („male psychology network“), die sich ohne negative Voreinstellungen mit den relevanten Forschungsfragestellungen beschäftigen und interessante und relevante Ergebnisse liefern. Besonders die jahrelange intensive Forschungs- und Publikationstätigkeit des britischen Psychologen Dr. John A. Barry (London) ist hervorzuheben.

220 Genderprofessorinnen können nicht irren! Oder doch? 

Die Frage der akademischen Unvoreingenommenheit scheint ohnehin eine der wichtigsten Grundfragen in Bereich der Geschlechterforschung zu sein. Denn in Deutschland gibt es inzwischen über 220 Professuren im Bereich der Genderforschung. Keine einzige davon betreibt eine unvoreingenommene Forschung zu Männerfragen. Mehr als 90% dieser Professuren ist mit Frauen, meist aus der Tradition des Feminismus, besetzt. Aus diesen Wurzeln ist eine akademisch solide Forschung zu Männerfragen nicht zu erhoffen. Immer wieder drehen sich die Publikationen und Verlautbarungen der Genderforschung in Deutschland um Sexismus, Rassismus, Postkolonialismus, Privilegien usw. Die angelsächsischen Beispiele zeigen, dass es auch anders geht. Eine genderreflektierte und gendergerechte Männerforschung muss am Lebensalltag, an den Problemen und Ressourcen von Männern, an den Entwicklungsbedingungen von Jungen, an den Fragen des Alterns von Männern ansetzen, und sie nicht implizit und vorschnell zu potentiellen Tätern und zu toxischen Wesen machen oder mit anderen Problemzuschreibungen versehen. Ein solches Vorgehen ist ideologischer, aber nicht wissenschaftlicher Natur.

Die Biologie bleibt allzu oft außen vor

Darüber hinaus muss Genderforschung biopsychosozial orientiert sein und darf die biologischen Wurzeln des Verhaltens von Männern und Frauen nicht ausklammern oder gar verleugnen. Auch dies geschieht allzu oft in den heutigen Genderwissenschaften. Große Teile der Genderwissenschaften ignorieren konkret die Biologie als Grundlagenwissenschaft vom Leben und von der Entstehung der Menschen und damit auch der Geschlechter. Diese sind eben nicht nur sozial konstruiert, sondern biologisch vorgeprägt. Ohne Berücksichtigung der biologischen, vor allem genetischen und hormonellen, Einflussfaktoren bleibt jede Art von Genderforschung unvollständig.

Der Lebensalltag von Jungen und Männern muss der Ansatzpunkt für Forschung werden

Dabei liegen die wahren Probleme von Männern offen vor uns: Die vielen schul- und bildungsversagenden Jungen, die hohe Suizidquote von Männern, die vielen wohnungslosen Männer und die hohe Zahl suchtkranker Männer sind einige der besonders drängenden Fragen einer notwendigen akademischen Männerforschung. Dass es sie nicht schon längst in Deutschland gibt, ist für ein Land wie unseres eine Blamage. Wenn die Regierungen in der Lage sind, mehr als 200 Genderprofessuren zu finanzieren, sollte eine akademische Forschung – ohne ideologisch negative Vorannahmen – zu Männerfragen sofort möglich sein. Diese hätte hohe Relevanz für Gesundheitsversorgung und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn psychisch gesunde Jungen und Männer sind im Interesse des Landes. Und Jungen und Männer werden nicht zufrieden, gesund und kompetent, indem sie von Seiten pseudowissenschaftlicher Ansätze immer wieder als toxisch, gefährlich, sexistisch oder wie auch immer negativ stigmatisiert werden.

 


Tags

Gender, Genderforschung, Genderwissenschaften, Männerforschung, Männerpsychologie, Stigmatisierung, Sucht


Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren >>>

Gelassenheit (Männerrat #18)

Gelassenheit (Männerrat #18)
Hinterlassen Sie einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner