UA-176845053-2 Ich komme nie zu Wort: Schweigende Männer & dominante Frauen

November 27

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„Ich komme nie zu Wort“ – schweigende Männer und dominante Frauen in Partnerbeziehungen (Männerrat #41)

Das Problem

Immer mehr Männer klagen, dass sie in ihren Partnerbeziehungen nicht ausreichend zu Wort kommen. Dies ist ein Phänomen, das mit den heutigen Geschlechtsrollen, häufiger Selbstunsicherheit junger Männer und somit auch viel mit modernen Zuschreibungen und Erwartungen zu tun hat. Männer müssen sich aus diesem Dilemma, wenn sie es als solches empfinden und erleben, selbst befreien. Gewalt und Fremdgehen sind keine Lösungen. Männer brauchen dann ein verbales Empowerment. 

Ein Fallbeispiel: Jörg

Jörg (45) ist seit über 15 Jahren verheiratet. Seine Frau ist eine starke, wortgewandte und durchsetzungsfähige Person. Sie spricht schnell, viel und mit einer Selbstsicherheit, die ihn zu Anfang der Beziehung sehr beeindruckt hat, inzwischen aber häufig überrollt. In Diskussionen – ob über Alltägliches wie Urlaubsplanung oder über zentrale Themen wie die Erziehung der Kinder – gelingt es ihm kaum, einen Satz zu Ende zu bringen. Kaum hat er angesetzt, fällt sie ihm ins Wort. Während er noch nach Formulierungen sucht, hat sie bereits mehrere Gegenargumente parat. Am Ende bleibt ein Gefühl von Resignation und Wut: „Ich komme nie zu Wort“, denkt er, ohne es jedoch zu äußern. 

Dieses Beispiel steht stellvertretend für ein weit verbreitetes Beziehungsmuster, in dem Männer verstummen – nicht, weil sie nichts zu sagen hätten, sondern weil sie nicht gelernt haben, sich verbal zu behaupten. Allzu oft fühlen sie sich dann an den Rand gedrängt, finden kein Gegenmittel und resignieren.

Entwicklungspsychologische Unterschiede

Die meisten Männer haben als Kinder gelernt, zu wenig über die eigenen Gefühle zu sprechen. Ihre Bedürfnisse wurden oft hintangestellt, wenn es um emotionale Befriedigung ging. Während Mädchen sich in ihrer Entwicklung unablässig miteinander über ihre Gefühlslagen verbal austauschen, ist dies für Jungen ungewöhnlich und deutlich seltener der Fall. Mädchen haben bis zu ihrer ersten Partnerbeziehung meist mehr als 5.000 Stunden über ihre Gefühlslagen mit Freundinnen gesprochen, Jungen in der Regel weniger als 100 Stunden mit Freunden. Wie die entwicklungspsychologische Geschlechterforschung eindrücklich zeigt, sind Mädchen tendenziell eher gefühlszentriert und Jungen eher lösungszentriert.

Dies bringt für Männer den Nachteil mit sich, dass sie weniger geübt sind, über ihre Gefühle differenziert Bescheid zu wissen und offen darüber sprechen zu können, besonders mit den ersten Freundinnen und später mit einer Partnerin. Es fällt ihnen schwerer, zu ihren Gefühlen und inneren Problemen zu bestehen und für sich diesbezüglich einzutreten. Bei entstehenden Liebes- und Partnerbeziehungen sind sie klar im Nachteil. Wenn jemand zu selten über seine Gefühle gesprochen hat, fehlen oft die Werkzeuge, um innere Konflikte zu sortieren. Das führt nicht selten zu einem Gefühl von Überforderung , aber auch zu Verstummen und verbalem Rückzug (Männer im Gefühlschaos – Entstehung, Lösungen, Hilfen (Männerrat #35)).  

Ursachen: Dominanz in Partnerbeziehungen und warum Männer verstummen

Die Gründe für verbalen Rückzug und das Schweigen in Beziehungen sind vielfältig und betreffen natürlich nicht nur Männer. Aber insgesamt viel häufiger Männer als Frauen. Ein Teil der Gründe liegt in der Sozialisation. Viele Männer haben in der Kindheit gelernt, Konflikte zu vermeiden, besonders wenn ein dominanter Elternteil Auseinandersetzungen stets mit Lautstärke oder Autorität gewann. Oft sind die Mütter verbal beherrschend und dulden keinen Widerspruch. In Familienkonstellationen mit alleinerziehenden Müttern herrscht auch häufig neben hohem Stress die verbale Dominanz der Mütter. Wer früh verinnerlichte: „Es lohnt sich nicht, den Mund aufzumachen“, trägt dieses Muster oft bis ins Erwachsenenalter weiter. Besonders wenn die Mutter verbal dominant oder rechthaberisch war, kann dies zur Vermeidung und zum Rückzug bei dem Jungen schon in der Kindheit und Jugend geführt haben. Dies kann zu einer generalisierten inneren Haltung von Angst vor Frauen (Die Angst der Männer vor Frauen) führen.

Hinzu kommt später die Dynamik zwischen den Partnern. Frauen, die privat und oft auch beruflich in Sprache geschult sind, verfügen häufig über rhetorische Überlegenheit. Wer schneller formuliert, gewandter argumentiert und lauter oder beharrlicher spricht, setzt sich in Gesprächen leichter durch. Frauen haben oft eine besondere Kompetenz erworben, über sich und ihre Gefühle zu sprechen, die vielen Männern fehlt, weil sie genau das vermieden haben. Männer, die ihre Gefühle weniger stark reflektieren und äußern oder Zurückhaltung generell als Tugend gelernt haben, geraten dabei ins Hintertreffen.

Gerade die emotionale Dimension spielt bei Partnerschaftskonflikten eine wichtige Rolle. Lautstärke, emotionaler und verbaler Druck können einschüchternd wirken. Nicht so sehr körperliche Angst, sondern die Furcht, klein gemacht zu werden, führt zum Rückzug. So entsteht ein Muster: einer spricht immer mehr, der andere schweigt immer mehr. Dies kann zu einem dauerhaften Gleichgewicht im Ungleichgewicht führen. Mit anderen Worten: Die Sprachherrschaft der Frau und die Sprachlosigkeit des Mannes werden chronisch. 

Dominanz, Rechthaben und Macht

Sprache ist in Beziehungen nie neutral. Sie ist Werkzeug, um Inhalte zu transportieren, aber vor allem um Nähe oder Distanz zu schaffen – oder Mittel, um Macht auszuüben. Wer immer das letzte Wort hat, wer den anderen ständig unterbricht oder ihn mit Wortfluten überrollt, etabliert damit eine Hierarchie. „Recht haben“ durch dauerhaftes Reden wird zum Beweis von Überlegenheit. Die eigentliche Sachebene tritt in den Hintergrund; entscheidend ist, wer sich verbal durchsetzt. Wenn die verbale Ebene nicht in Balance ist, ist meist auch die Beziehung nicht in Ordnung.

In vielen Partnerschaften zeigt sich ein „Kampf ums Recht“, der nicht nur Konflikte verhärtet, sondern auch den Respekt untergräbt. Wird der andere konsequent zum Zuhörer oder Statisten degradiert, entsteht eine ungleichgewichtige Beziehung: Dominanz auf der einen Seite, Resignation auf der anderen. Das Schweigen ist damit nicht bloß persönliches Versagen, sondern Ausdruck einer asymmetrischen Machtstruktur.

Dominanz durch Worte, Emotionen und Taten

Viele Männer versuchen, die starken Emotionen (Wut, Ärger, Beschuldigungen, Tränen) ihrer Frau durch Rückzug und eigenes Schweigen besser zu ertragen. Dies geschieht vor allem, wenn sie sich verbal unterlegen fühlen. Und dies ist sehr oft der Fall. Nicht wenige Frauen sind Meisterinnen der vielen Worte und des Emotionsausdrucks. Der männliche Rückzug erweist sich auf die lange Sicht jedoch als Irrweg und macht die Situation meist noch schlimmer. Es gibt keine Lösung ohne echte Interaktion, mit Worten und Taten. Zu der Lösung gehört auch: Du als Mann solltest ebenfalls Deine Gefühle zeigen. Die Basis ist aber, dass Du Deine Bedürfnisse ernst nimmst und Dich selbst wertschätzt.

Frauen haben es oft über viele Jahre gelernt, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, genauso wie Männer es gelernt haben, ihre Emotionen zu unterdrücken. So wie Frauen oft überemotional sind, verhalten sich Männer zu unemotional. Versuche Du als Mann auch, häufiger Deine Emotionen authentisch und überzeugend auszudrücken! Frauen machen Männern durch ihre ungefilterten, starken Emotionsäußerungen oft Angst und üben damit Dominanz aus (Dominante Partnerin: Meine Partnerin will alles bestimmen! (Männerrat #2)). Das muss nicht so bleiben, wenn Du Deine Emotionen stärker entdeckst und ausdrückst.

Muster des Schweigens

Das anfängliche Beispiel von Jörg zeigt ein typisches Ablaufmuster:

  1. Ein Thema wird auf den Tisch gebracht.
  2. Die Frau übernimmt die Gesprächsführung und redet und redet, argumentiert, erklärt. Notfalls wird sie laut und dominant.
  3. Der Mann setzt an, wird jedoch unterbrochen.
  4. Er gibt nach – aus Erschöpfung, aus Angst vor Eskalation oder aus der Überzeugung, sich ohnehin mit seiner Meinung nicht durchsetzen zu können.
  5. Am Ende bleibt Resignation: das Gefühl, überflüssig zu sein und besser stumm zu bleiben.

Jede Wiederholung verstärkt dieses Muster. Die dominante Partnerin erlebt, dass sie sich durchsetzt, der Mann erlebt Ohnmacht. So verfestigt sich die Rollenaufteilung: sie als Sprecherin, er als Schweigender.

Folgen: Verlust von Nähe und Würde

Das chronische Schweigen, weil man nicht zu Wort kommt, ist nicht harmlos. Es ist ein Zeichen von Intoleranz gegenüber dem Mann. Es führt zu angestauten Gefühlen von Frust, Groll und innerer Distanz. Mit der Zeit gehen Nähe, Respekt und das Gefühl von Gleichwertigkeit verloren. Eine Beziehung, in der einer permanent das Wort führt und der andere verstummt, verliert an Lebendigkeit, Respekt und Liebe. Das Schweigen wird zum Symbol für den Verlust von Würde.

Wege aus dem Muster

Jeder Mann, der dem Verstummen entkommen will, muss selbst die entsprechenden Schritte gehen. Er sollte nicht darauf warten, dass seine Partnerin ihm das Wort erteilt. Dies wäre ein weiterer Beweis ihrer Dominanz und tief respektlos. Es wird sich im Übrigen nichts verändern, wenn sich der betroffene Mann nicht ändert. Ein schneller Ausweg existiert nicht, wohl aber Schritte zur Veränderung. Diese sind im Wesentlichen: 

  1. Muster erkennen: Schweigen ist kein Charakterzug, sondern ein erlerntes Verhalten – und damit veränderbar. Beginne damit im Kleinen und baue es immer mehr aus!
  2. Gesprächsregeln einführen: Klare Redezeiten oder die Vereinbarung, nicht ins Wort zu fallen, schaffen Raum für beide Stimmen. Führe Regeln für die partnerschaftliche Kommunikation ein und bestehe auf ihnen!
  3. Die eigene Stimme trainieren: Rhetorische Übungen, Stimmtraining oder bewusstes Einfordern von Redezeit stärken das Selbstbewusstsein. Übe Dich im Reden auf irgendeine Art! 
  4. Gefühle statt Argumente benennen: Wer sagt „Ich fühle mich gerade überrollt“, schafft Raum und Zeit zum Nachdenken und zur Klärung seiner Gefühle. Deine Gefühle und Bedürfnisse sind wichtig. Benenne sie daher, wann immer es wichtig ist!
  5. Grenzen ziehen: Unterbrechungen in Gesprächen sind erlaubt und möglich.  Gespräche können auch abgebrochen werden, wenn vereinbarte Regeln nicht eingehalten werden. Du darfst Grenzen ziehen. Dies gehört zum Selbstrespekt und zur Selbstfürsorge. 
  6. Professionelle Unterstützung suchen: Paartherapie kann helfen, eingefahrene Muster sichtbar und veränderbar zu machen. Aber auch individuelle Hilfen (Männergruppe, Coaching, Einzelpsychotherapie) können hilfreich sein.

Der Weg: Vom Schweigen zum Reden

„Ich komme nie zu Wort“ ist mehr als eine Klage über Gesprächsunterbrechungen. Es ist Ausdruck eines Machtungleichgewichts, das die Beziehung auf Dauer zermürbt. Schweigen bedeutet Verlust von Selbstachtung und von Gleichwertigkeit in der Partnerschaft. Doch Schweigen ist kein Schicksal. Mit Bewusstsein, Mut und klaren Regeln kann die eigene Stimme zurückgewonnen werden.

Eine Partnerschaft, in der beide gehört werden und sich zuhören, ist nicht nur gerechter, sondern auch lebendiger. Am Ende geht es um mehr als ums Reden: Es geht um Respekt, Gleichwertigkeit und Würde. Die eigene Stimme in der Beziehung zu behaupten, ist dafür Notwendigkeit und Basis.

 


Tags

Bedürfnisse, dominante Frau, dominante Partnerin, Dominanz, Emotionen, Gefühle, Jungen, Partnerschaft, Passivität, reden, Rückzug, schweigen, Unterlegenheit, Verstummen


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