UA-176845053-2 Absolute Beginners – Männer ohne Sex (Männerrat #6)

April 6

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Absolute Beginners – Männer ohne Sex (Männerrat #6)

Fallbericht: Richard (37)

Richard (37) ist Informatiker und Web-Designer in einer erfolgreichen Online-Verkaufsfirma für Sexualprodukte. Keiner weiß, dass er noch nie einen Sexualkontakt zu einer Frau hatte. Es ist ihm peinlich und er schämt sich jeden Tag dafür. Keiner darf wissen, dass er eine „männliche Jungfrau“ ist. Wenn sie in der Firma über die neuen Sexualprodukte sprechen oder diese gar vorzeigen, hält er verbal mit, so gut er kann. Er wünscht sich seit vielen Jahren, eine Frau näher kennenzulernen. Sein Wunsch, Sex zu haben, scheitert aber immer wieder an seiner Schüchternheit und den Hemmungen, die für ihn ein riesiges Ausmaß angenommen haben. Er war in seiner Not einmal bei einer Prostituierten, aber die hatte natürlich wenig Einfühlungsvermögen und so hat es bei ihm mit dem Sexualverkehr dort ganz und gar nicht geklappt. Es war ein weiteres Versagenserlebnis und ein echter Tiefschlag für ihn!
Richard wohnt in einer schönen, großen Stadtwohnung mit schicker Einrichtung. Er fühlt sich dort jedoch an den Abenden und Wochenende sehr einsam. In letzter Zeit hat er beobachtet, dass er am Abend zur „Entspannung“ regelmäßig zwei oder drei Flaschen Bier trinkt. Dies macht ihm Sorgen, weil er nicht zunehmen und unattraktiv werden will und auch fürchtet, abhängig vom Alkohol zu werden.

(1) Absolute Beginners: Männer ohne Sex

Deutlich mehr Männer als allgemein angenommen haben keine oder nur geringe sexuelle Erfahrungen, sind also „männliche Jungfrauen“. Im Folgenden bezeichne ich diese Männer aus Gründen der Wertschätzung als Männer ohne Sexualerfahrung (MoS). Damit sind Männer ohne jegliche oder mit nur sehr geringen Sexualerfahrungen gemeint. Viele Betroffene sprechen auch von „absolute Beginners“ nach einem Song von David Bowie, in dem das Thema der sexuellen Unerfahrenheit benannt wurde.

Eine Studie der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf mit mehr als 1.110 Erwachsenen ergab, dass 5% der erwachsenen Männer keine sexuellen Erfahrungen hatten. Hinzu kommen ca. 12%, die nur sehr weniger oder nicht zufriedenstellende sexuellen Erfahrungen berichten. Die meisten dieser Männer leben unfreiwillig ohne Sexualität. Nur selten steht eine schizoide Persönlichkeitsstörung (ca. 1% der Erwachsenen) im Hintergrund. Bei dieser Störung ist das Interesse an anderen Menschen gering. Zwischenmenschliche und zwischengeschlechtliche Nähe werden als unangenehm und störend erlebt. Dies bezieht sich auch auf Hautkontakt und insbesondere sexuelle Körperkontakte. Oft entstehen starke Angstgefühle davor.

Die meisten Männer ersehnen sich Sexualkontakte  

Bei den meisten Männern, die ohne Sexualität leben, geschieht dies jedoch unfreiwillig und es besteht ein hoher bis sehr hoher Leidensdruck. Sie ersehnen sich Sexualität, erreichen es aber nicht, weil sie zu viele Ängste haben, eine Frau anzusprechen oder weil sie zurückgewiesen werden. Bei hohem Leidensdruck wollen MoS ihren Zustand unbedingt ändern, beneiden Männer, die bei Frauen erfolgreich sind, und würden alles dafür geben, ihren Zustand zu ändern. Dies führt dann auch oft zu dysfunktionalen Reaktionen, wie Prostituiertenbesuchen, exzessivem Pornokonsum oder zwanghaftem Masturbieren.

Da viele Männer ein starkes oder extrem starkes Verlangen nach Sexualität erleben, werden sie hinsichtlich des Zugangs zu Sexualität mit einer Frau oft erpressbar und können vielerlei Manipulationen unterworfen werden. Dies kann etwa darin bestehen, dass sie Gefälligkeiten und „Vorleistungen“ erbringen, um Zugang zu Sexualität zu bekommen. Auch psychische Störungen können sich infolge der ungewollten langfristigen Entbehrung von Sexualität entwickeln. Dazu zählen Depressionen, Suizidalität, soziale Ängste, Suchtstörungen und Essstörungen.

Absolute Beginners - Männer ohne Sexualerfahrung

In Bezug auf MoS ist von folgenden Fakten auszugehen:

(1) Laut Schätzungen hatten zwei bis fünf Prozent der erwachsenen Deutschen noch nie Sex, darunter deutlich mehr Männer als Frauen. Ihre Sexualabstinenz ist meist unfreiwillig.

(2) Viele Betroffene empfinden ihre sexuelle Unerfahrenheit als Stigma. Der Begriff der „absolute Beginners“ nach dem Song von David Bowie hat sich tief in das öffentliche Bewusstsein für diese Männer eingebrannt. Sie fürchten mit zunehmendem Alter immer mehr, dass ihre sexuelle Unerfahrenheit zum unüberwindlichen Problem wird.

(3) Sogenannte „Incels“ („Involuntary Celibates“: unfreiwillig zölibatär lebende Männer) erleben sich als chronisch Zurückgewiesene. Dies ist für sie der Beweis, dass sie nicht attraktiv und liebenswert sind. Sie entwickeln aufgrund der sich wiederholenden Zurückweisungen ein Gefühl von Kränkung, kombiniert mit Groll und Ärger auf Frauen. Bisweilen vertreten sie die Idee, dass sie ein Recht auf einen weiblichen Sexualpartner hätten, und sehen sich in ihrer Situation als Opfer. In Internetforen tauschen sich Incels über ihre Erfahrungen und negativen Gefühle gegenüber Frauen aus. Die Mehrzahl von ihnen radikalisiert sich nicht, entgegen vielen Berichten in hiesigen Medien. Viele weisen ein behandlungsbedürftiges Selbstwert- und Verhaltensproblem auf.

(4) Sexualtherapeuten können mit betroffenen MoS an ihren oft zu rigiden oder zu hohen Erwartungen an das »erste Mal«, dem ersten Sexualkontakt mit einer Frau, arbeiten. Eine realistische Selbsteinschätzung ist genauso wichtig wie Selbstakzeptanz und die Fähigkeit zur Selbstfürsorge. Meist geht es um Probleme im Bereich sozialer Ängste, Selbstwertprobleme und konkreten Kontaktanbahnungen.


Weitere Tipps für Absolute Beginners:

Wenn Sie Ihre Beziehungschancen und -erfahrungen mit Frauen verbessern wollen, geben Sie nicht sinnlos Geld für Flirtkurse, PicUpArtist-Seminare (PUA) oder Ersatzhandlungen (wie Pornographie) aus, sondern arbeiten Sie an sich selbst, den zugrunde liegenden Problemen, besuchen Sie eine Männergruppe, arbeiten Sie mit einem Persönlichkeitscoach zusammen oder beginnen Sie eine gezielt wirksame Psychotherapie. Es ist wesentlich besser, Sie arbeiten effektiv und zielgerichtet an Ihrem Selbstwertgefühl, als teures Geld für PUA-Kurse auszugeben, die in der Praxis sowie nicht funktionieren und obendrein ein fragwürdiges Menschenbild (für Frauen und Männer) verbreiten.

(2) „Nesthocker“: Männer, die noch bei der Mutter leben

Eine andere Lebensrealität erwachsener Männer ist das Leben im elterlichen Haushalt weit über die Volljährigkeit hinaus. Häufig sind dies auch Männer ohne allzu vielen bzw. gar keinen Sexualkontakte. Durch den häufigeren früheren Tod oder die scheidungsbedingte Abwesenheit der Väter kommt es oft zu einer alleinigen Mutter-Sohn-Konstellation. Vordergründig hat diese häusliche Ko-Habitation Vorteile für beide, Mutter und Sohn. Wäsche waschen, Kochen, einen Gesprächspartner haben usw. Vordergründig handelt es sich um eine Win-Win-Situation aus Vermeidung von Einsamkeit, identitätsstiftendem Dasein und Fürsorgeaufgaben für die Mutter und Versorgung, Zuwendung und Partner-Ersatz-Aufgaben für den Sohn.

Bei genauerer Betrachtung sieht dies aber ganz anders aus. Die Mutter-Sohn-Habitation im Erwachsenenalter weist nicht selten die Züge einer Symbiose, einer übermäßig engen psychologischen Verschmelzung zwischen Mutter und Sohn, auf, durch die Verselbstständigung und Verpartnerung implizit verhindert werden. Die Ko-Habitation lässt den Mann bequem werden und hält ihn – neben den Vorteilen der Versorgung - in der Abhängigkeit.

Fallbericht: Oliver (36)

Oliver (36) ist nach dem Lehramtsstudium in eine eigene Wohnung gezogen und lernte mit 26 auch seine erste Langzeitfreundin (Klara) kennen, mit der er zwei Jahre in seiner Wohnung zusammenlebte. Dort nahmen die Disharmonien und Streitigkeiten immer mehr zu. Sie bezeichnete ihn als „Waschlappen“ und Muttersöhnchen und forderte ihn immer wieder auf, endlich erwachsen zu werden. Oliver verstand ihre Kritik nicht und konnte sie deshalb auch nicht akzeptieren. Schließlich trennte sie sich von ihm, als sie einen anderen Mann kennenlernte und kommentierte dies mit den Worten „endlich ein richtiger Kerl“.

Wiedereinzug bei der Mutter

Nach einigen Jahren alleine in seiner Wohnung ist Oliver (36) nun wieder zu seiner Mutter gezogen, die ihn gerne in das große „leere“ Haus aufgenommen hat. Der Vater ist vor drei Jahren gestorben und die Mutter fühlte sich seitdem sehr einsam. Sie beruhigt ihren Sohn bisweilen, dass „die Richtige“ schon noch kommen wird und er nur Geduld zeigen soll. Er ist einerseits froh, seine Mutter zu haben und dass sie ihn so gut versorgt mit Kochen und Wäsche-Waschen, aber vor seinen Freunden schämt er sich und fühlt sich minderwertig, weil er keine Partnerin und Kinder hat.

Er wird auch immer seltener von ihnen eingeladen und fühlt sich dann meist wie das fünfte Rad am Wagen. Dennoch kann er sich nicht aufraffen, eine neue Freundin zu suchen, weil er nach einigen Enttäuschungen und Zurückweisungen immer mehr Angst vor neuerlichen Kränkungen entwickelt hat. Am meisten geht ihm aber die Geschichte mit Klara nach, die er immer noch liebt. Bisweilen sieht er sie mit dem neuen Freund in der Stadt und dann ist er tagelang traurig und würde sich am liebsten im Boden verkriechen. 

 

Für Dich als Mann ist es wichtig, anzuerkennen, dass Du in der Ko-Habitation mit der Mutter niemals erwachsen werden kannst. Mutter und Sohn müssen eine psychisch gesunde Distanz zueinander einnehmen, damit Du reif für eine eigene Partnerschaft und Familie werden kannst. Dies bedeutet auch, neue Wege zu gehen, die auch phasenweise unangenehm werden können. Aber am Ende steht ein großer Gewinn. Der Sohn wird dadurch die Möglichkeit gewinnen, sich zum autonomen Mann zu entwickeln. Als autonomer Mann kannst Du eine Partnerin von Deiner Männlichkeit überzeugen und gleichzeitig eine respektvolle, aber nicht dependente Beziehung zu Deiner Mutter pflegen.

Substanzkonsum so weit wie möglich vermeiden

Männer ohne Partnerin entwickeln auch häufiger Suchtprobleme. Versuchen Sie, soweit wie möglich nicht Alkohol oder Drogen gegen negative Gefühle einzusetzen, damit sich nicht ein Kreislauf aus Einsamkeitsgefühlen und Substanzkonsum entwickelt, aus dem auch eine Suchterkrankung werden kann! Es ist wichtig, aus dem Teufelskreis von Rückzug, Einsamkeit, negativen Erwartungen und Substanzkonsum zu entfliehen. 

Fünf abschließende Tipps zur Weiterentwicklung für Absolute Beginners

Abschließend die wichtigsten Verhaltenstipps für Absolute Beginners, die den starken Wunsch haben, ihre Situation zu verändern:

(1) Arbeite kontinuierlich an Deinem Selbstwertgefühl und Deiner körperlichen und mentalen Fitness. Betreibe Sport und achte auf ein gepflegtes Aussehen! Aber am wichtigsten ist Deine Ausstrahlung. Besonders wichtig sind Körperhaltung, Mimik und Blickkontakt.

(2) Masturbiere so wenig wie möglich! Das schwächt Deine Ausstrahlung gegenüber Frauen. Betreibe stattdessen mentales und körperliches Training! Lerne dabei auch, Deine Impulse zu kontrollieren!

(3) Sprich mit einer vertrauten Person (Freund) über Deine Situation und Deine Probleme! Wenn Du über keine solche Person verfügst, wende Dich an einen Berater (Männercoach, Lebensberatungsstelle, Telefonseelsorge) oder einen niedergelassenen Psychotherapeuten.

(4) Sieh Dich als Mann positiv und stelle Dich den Herausforderungen des Lebens! Solange Du von negativen inneren Gedanken und Erwartungen beherrscht bist, befindest Du Dich in einem geschlossenen inneren Kreislauf, Deinem eigenen Käfig. Wenn Du auch bereit für Anstrengungen und Problemlösungen bist, wirst Du auch eine passende Partnerin finden. Am ehesten übrigens dann, wenn Du es nicht mehr krampfhaft anstrebst.

(5) Wenn Du den Eindruck hast, Du kommst alleine oder mit Freunden nicht weiter, suche Dir professionelle Hilfe bei einem Psychotherapeuten, einer Selbsthilfegruppe für Männer oder im Krisenfall bei der Telefonseelsorge! (0800-1110111 od. 0800-2220222)


Tags

Absolute Beginners, Beziehung, Familie, Hemmungen, Kontakte, Männer, Nesthocker, Sex, Sexualität


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