Als Mann im Alter aufblühen – Wie geht das denn? (Männerrat #13)

Das Alter bietet für Menschen heutzutage besondere Chancen auf Lebensqualität, die früher undenkbar waren. Die Lebenserwartung für Männer in Deutschland beträgt bei Geburt in 2022 durchschnittlich 78.2 Jahre (Frauen 82.9 Jahre). Männer, die das 70. Lebensjahr erreich haben, weisen eine durchschnittliche Restlebenserwartung von 14.2 Jahren (Frauen: 16.8 Jahre) auf. Sie werden also dann durchschnittlich 84.2 Jahre alt. Ohne die moderne Medizin – die oft abfällig Schulmedizin genannt wird – wären viele Menschen, die heute über 70 Jahre alt sind, schon längst tot. Es geht aber nicht nur um Lebensdauer, sondern auch um Lebensqualität im Alter. Dafür ist die Perspektive eines Aufblühens im Alter gerade wichtig.

Endlich in Rente! Und jetzt?

Nach dem Arbeitsleben können neue Schwerpunkte im Leben gesetzt werden. Es bieten sich  Chancen auf erfüllende, sinnstiftende Tätigkeiten im Alter, in einer neuen oder fortgesetzten beruflichen Tätigkeit oder im Ehrenamt. Manche wollen sich auch einen früheren Berufstraum erfüllen. Endlich als Landwirt, Winzer oder Stadtführer tätig sein. Auch im Bereich der persönlichen Beziehungen bieten sich neue Chancen. Noch nie war die Scheidungsquote bei über 60-Jährigen so hoch wie heute (vgl. Eine Trennung bewältigen (Männerrat #7)), so dass hier auch die Gefahr der Vereinsamung droht. Daher ist es auch eine Chance und Herausforderung, ein neues Liebesglück im Alter zu finden.

Es kann aber auch darum gehen, das Leben mit dem langjährigen Partner intensiver zu genießen, mit den Enkeln schöne Zeiten zu verbringen oder sich als Single selbst zu verwirklichen. Neben bestimmten Tätigkeiten und Inhalten geht es übergeordnet um Sinnfindung, die gerade im Alter sehr wichtig ist. Das hängt mit den grundsätzlichen und letzten Fragen des Lebens zusammen. Deshalb kann auch der Bezug zu Spiritualität und Religion ein wichtiges Thema im Alter sein.

Reale Probleme älterer Menschen

Aber die Lebensrealität im Alter kann auch eine schwierige und triste sein: Vereinsamung, Krankheiten und Geldmangel drohen. Zunächst ist der Übergang in die Berentung zu schaffen (vgl. Nach der Berentung altes Eisen?! (Männerrat #4)). Dann geht es um die Anpassung an die neue Lebenssituation und die damit eventuell auftauchenden Probleme:

Problem 1

(1) Viele Ältere leben ungewollt alleine, finden nicht den Zugang zu anderen und vereinsamen zunehmend (vgl. Raus aus der Einsamkeit – einsame Männer: Probleme und Hilfen). Oft hat sie das Problem Schüchternheit und soziale Ängste schon ein Leben lang begleitet. Im Alter neue Freundschaften zu finden, ist nachweislich sowieso schwieriger als in jüngeren Jahren. Dass die Kollegen aus der Arbeitswelt nun nicht mehr da sind, ist für viele eine schmerzliche Erfahrung. Es gilt daher, an alte Kontakte anzuknüpfen oder neue zu finden. Gerade die Freundschaften zu anderen Männern sind für Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit besonders wichtig (vgl. Männerfreundschaften (Männerrat #9)).

Problem 2

(2) Eine Erkrankung im Alter ist oft mit chronischen Schmerzen verbunden, was die Lust an sportlicher Betätigung und Bewegung insgesamt einschränkt. Dies sollte aber unter keinen Umständen passieren. Je länger die Mobilität erhalten bleibt, desto höher ist die Lebensqualität im Alter.

Problem 3

Die im Alter zustehende Rente ist für viele ein Schock. Die Rentenquote für Arbeiter und Angestellte ist im europäischen Vergleich erschreckend niedrig. Viele Menschen sind nach der Berentung erstaunt, wie wenig sie sich auf einmal nur noch leisten können. Wenn dann – bei Männern nach Scheidung nicht selten - noch Unterhalts- und Versorgungsleistungen hinzukommen, drohen Armut und Probleme mit Ernährung und Freizeit. 

Es braucht für die im Alter auftauchenden Probleme angemessene Lösungen. Die muss man nicht unbedingt alleine finden. Gerade als Mann, der schon vieles im Leben erlebt und geleistet hat, sollte man sich auch erlauben, Hilfe einzuholen. Nicht unbedingt alles alleine zu machen, ist eine wichtige Grundhaltung für gelingendes Leben. Dafür ist es nie zu spät!

Jeder Mann sollte die Chance haben, im Alter ein gutes, zufriedenstellendes Leben zu führen. Obwohl ältere Männer im Durchschnitt zufriedener sind als jüngere, kann noch lange nicht von einem automatischen Aufblühen im Alter ausgegangen werden, insbesondere wenn die genannten Probleme (Einsamkeit, Armut, Krankheiten) oder andere auftreten. Menschen sollten im Alter aktiv und bewusst an der Steigerung ihrer Lebenszufriedenheit arbeiten.

Alte Menschen sind reich – an Erfahrungen, Lebensklugheit und oft auch Weisheit

Ein besonders wichtiges Merkmal älterer Menschen ist ihr Reichtum an Lebenserfahrungen. Die sind oft nicht einfach, geschweige denn gut. Aber sie wissen meist, wie man damit umgehen muss, haben Erfahrungen von Bewältigung und Wachstum gemacht. Sie sind im wahrsten Sinne nicht mehr „grün hinter den Ohren“. Wenn ihre Lebenserfahrungen sie nicht – was leider auch oft passiert – haben verbittert werden lassen, sind sie reich an Belastungs- und Bewältigungserfahrungen, die allen Menschen helfen können. Die westliche Kultur hat einen Jugendwahn entwickelt, der auch die Verachtung und die Geringschätzung des Alters und seiner Erfahrungen umfasst.

Besonders negativ und bisweilen hasserfüllt werden alte, weiße Männer von vielen in der Gesellschaft angesehen (vgl. Der alte, weiße Mann – Hassobjekt, Privilegienträger oder einfach nur Mensch?!), ohne dass dies einer Überprüfung standhalten kann. Es handelt sich um unberechtigte Generalisierungen der Themen #mentoo und toxische Männlichkeit. 

Das negative Ansehen älterer Mann ist einzigartig auf der Welt und ein besonders unsinniger Irrweg, wie jeder reflektierte Mensch weiß. Die weisen, alten Menschen sind im Herzen oft jünger als die jungen, denen es leider immer mehr an Wissen, Bildung und auch Toleranz gegenüber anderen fehlt.

Gerade das Miteinander von alt und jung ist das Erfolgsrezept jeder erfolgreichen Gesellschaft. Dort wo die Erfahrungen älterer Menschen geschätzt werden, kann es ein lebendiges, reiches Leben geben. Das kann, da die klassische Familie aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung rund um Mobilität, Globalisierung und Wohnproblemen einen immer schwierigeren Stand einnimmt, auch mit Wohn- und Lebensprojekten wie etwa dem Mehrgenerationenhaus gelingen. Auch für die Gesellschaft als Ganzes kann die Weisheit älterer Menschen wichtig sein zur Verbesserung der Gesamtsituation, des Miteinanders und der Qualität der Politik (vgl. Mehr Weise in die Politik!).  

Aufblühen durch Positivität – die Grundlagen eines zufriedenen, erfüllten Lebens

Der berühmte amerikanische Psychologe Martin Seligman, der als Begründer der Positiven Psychologie gilt, formulierte auf der Basis langjähriger Forschung das PERMA-Modell zum Aufblühen („flourishing“). Dieses beschreibt, wie Menschen zu dauerhaftem Wohlbefinden und psychischer Gesundheit kommen. Es gilt für alle Lebensphasen, besitzt aber für das Wohlbefinden im Altern eine besonders wichtige Bedeutung. Entweder um die schon erreichte Lebensqualität in der neuen Lebensphase ab der Berentung zu bewahren oder um gerade in der neuen Lebensphase erstmalig positive Lebensqualität in höherem Maße zu erreichen. Der Begriff PERMA setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der fünf Basiselemente für psychische Gesundheit zusammen. Sie lauten: 

1. Positives Gefühl
2. Engagement
3. Positive Beziehungen
4. Sinn (Meaning)
5. Zielerreichung (Accomplishment)

Wenn diese fünf Elemente im Leben von Menschen vorhanden sind, ist von einer balancierten psychischen Gesundheit und einem überwiegenden Wohlbefinden auszugehen. Dies führt dann zu einem kontinuierlichen „Flourishing“, einem Aufblühen der gesamten Person. Das Flourishing dient der Entwicklung der eigenen Talente und Potentiale und macht den Menschen auch zu einem sozialen Mitmenschen auf der Basis eines eigenen stabilen Selbst. Flourishing ist in allen Lebensphasen wichtig und möglich. Besonders im Alter ist Aufblühen möglich, da viele Zwänge und Stressfaktoren wegfallen. Durch Flourishing wird ein positives Selbstwertgefühl aufgebaut und weiter gestärkt. Es ist also wichtig, in allen Phasen des Lebens die fünf PERMA-Faktoren anzustreben. 

Selbstliebe ist angesagt – das lässt sich auch lernen!

Alte Menschen sollten sich wenigstens selbst schätzen und lieben. Viele tun dies auch, aber zu viele können dies nicht. Oft zieht sich eine Spur der Selbstabwertung von der Kindheit bis zum Seniorenalter. Etwa 35% der Menschen über 65 Jahre leiden unter Einsamkeitsproblemen. Dies betrifft Männer wie Frauen. Dies muss nicht so bleiben. Aber einsame Menschen und solche, die sich selbst nicht akzeptieren, müssen bei sich selbst anfangen. Die Geister der Vergangenheit vertreiben, gerne auch – bildlich gesprochen ausräuchern – und neue gute Geister einziehen lassen. Auch auf andere Menschen zugehen, den ersten Schritt zu machen, ist besonders wichtig. Wenn dies nicht zum Erfolg führt, abhaken und weiter machen!

Auf das neue Leben intensiv vorbereiten! 

Ältere Männer sind besonders oft vom Berentungsschock betroffen. Sie freuen sich einerseits auf die neu gewonnenen Freiheiten, haben jedoch nicht ausreichende Inhalte und Routinen zur Gestaltung derselben. Das kann und sollte man ändern. Besonders in den letzten Jahren vor der Berentung bzw. Pensionierung ist die bewusste Vorbereitung auf die neue Lebensphase wichtig. Dies kann durch Seminare, Selbstreflektion oder Probehandeln geschehen.

Selbstfürsorge ist wichtig

Damit das Aufblühen im Alter gelingt, ist eine Reihe von Haltungen und Verhaltensweisen erforderlich. Selbstliebe gehört dazu. Diese lässt sich auch erlernen, wenn Sie aus ihrer Kindheit und Jugend oder ihrer Partnerschaft zu wenig Zuwendung und Liebe bekommen haben. Zur Selbstliebe gehören Selbstakzeptanz und eine positive Beziehung zu sich selbst. Dazu am Ende des Textes wichtige Praxistipps. 

Der Wegweiser zum Aufblühen im Alter

Was ist zu tun, um im Alter aufzublühen? Kein Rezeptbuch, aber möglicherweise hilfreiche Hinweise.

(1) Erkenne die Vorteile des Lebens im Alter, mache sie Dir bewusst und verstärke sie im Alltag!

(2) Endlich hast Du weniger Zwänge, belaste Dich aber nicht mit Neuen! Lass genug Raum und Zeit zum Genießen!

(3) Gelassenheit im Alltag ist möglich. Gib Dir Raum und Zeit dafür und vor allem die passende innere Haltung!

(4) Wenn Du magst und es für nötig hältst, erfinde Dich neu bzw. probiere neue Einstellungen und Verhaltensweisen aus! Wachse dabei auch gerne über Deine alten Grenzen hinaus. Ein alter Baum ist weitreichender als ein junger.

(5) Bewegung und Aktivität sind enorm wichtig. Denke daran, dass Du aktiv und mobil wirst bzw. bleibst! Das ist die Voraussetzung für alles. Bewege Dich regelmäßig und viel. Genieße die Fitness Deines Körpers im Alltag. Wenn Du dafür Hilfe brauchst, frage Deinen Arzt, Physiotherapeuten oder direkt einen Fitness-Trainer.

Tipps für das Aufblühen im Alter: 

(1) Genieße bewusst Deine Lebenszeit! Ohne Anspannung und negativen Stress. Keine unangenehmen Vorgesetzte und Kollegen mehr. Jetzt kannst Du Dir in der Freizeit die Menschen aussuchen, die Dir gut tun. Tu es auch! Keine falschen Kompromisse mehr. Diese Lebenszeit ist jetzt Deine Rosinenzeit. Du kannst Dir das herauspicken, was Dir wirklich gefällt und Dein Wohlbefinden steigert. Deine persönlichen Rosinen! 

(2) Du musst gar nichts! Lass Dich nicht mehr hetzen und unter Druck setzen. Auch nicht von Deinen Nächsten, Frau, Kinder und Enkel! Mache allen deutlich, dass Du Dein eigener Bestimmer bist. Dein Captain im eigenen Haus. Sei freundlich, aber bestimmt zu denen, die Du magst!

(3) Akzeptiere Dich und denke positiv über Dich! Ein positives Selbstbild und Selbstliebe sind wichtige Bestandteile für Aufblühen im Alter. Übe Dich jeden Tag darin! Da Du aber in der Gesellschaft auf viel Ablehnung und Negativität aufgrund Deines Alters stößt, solltest Du Dir selbst bewusst mit viel Liebe und Großzügigkeit begegnen. Diese Haltung strahlt nach innen und außen ab. Kümmere Dich nicht darum, ob das den anderen gefällt! Suche die Mitmenschen, die Dich so voll akzeptieren und Dir so an Deiner Weiterentwicklung helfen!

(4) Stehe zu Deinen Erfahrungen, Fehlern und Fähigkeiten! Kein Leben verläuft geradlinig und ohne Fehler. Wenn Du weißt, was Du kannst, wer Du bist und Deine Fehler aufgearbeitet hast, wirst Du ein Leben in Wohlbefinden und Ausgeglichenheit führen können. Die kommenden Jahre können Deine besten werden. Wenn Du noch an Deinen Fehlern und Problemen hängst, in Bezug auf Früheres verbittert bist, gönne Dir eine persönliche Hilfe (Psychotherapie), um zu einer besseren Lebensqualität und einem Aufblühen zu kommen!

(5) Genuss und Achtsamkeit gehören zum Aufblühen. Wenn Du den beschriebenen Weg zu einem zufriedenen Leben im Alter beschreiten willst, schaffe Dir bewusst Situationen des Genusses und der Achtsamkeit!

Weiterführendes und Verwandtes: 

In den meisten Städten und Gemeinden gibt es inzwischen Teilhabeangebote für ältere Menschen. Informiere Dich dort über Deine Möglichkeiten. Mach auf jeden Fall den ersten Schritt! Für viele Menschen im Alter ist ein Haustier besonders wichtig. Es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, um Kontakte zu schließen, als mit einem Hund Gassi zu gehen.