UA-176845053-2 INCELs – Gefährliche Rechtsradikale oder hoffnungslose Männer? - Mens Mental Health

November 4

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INCELs – Gefährliche Rechtsradikale oder hoffnungslose Männer?

Immer wieder wird in den letzten Jahren in den Medien über eine gefährliche Gruppe von Menschen berichtet, die aus Hass insbesondere Frauen töten. Dies geschieht mit Mass-Shootings, Autoattacken oder anderen Tötungsmethoden, meist mit dem Ziel, auch selbst dabei zu Tode zu kommen. Dann würde das Vorgehen einem Amoklauf gleichkommen. Es handelt sich nicht um islamistische Attentäter, sondern um junge, frustrierte Männer, die über viele Jahre keinen Sex mit Frauen hatten, sich aufs Äußerste abgelehnt und verletzt fühlen. Sie töten nicht aus religiösem, sondern aus persönlichem, privatem Hass und Fanatismus. Dieser ist über viele Jahre in ihnen herangereift, ohne dass sie eine Chance auf Heilung oder wenigstens Linderung gesehen hätten. Dies ist die Erzählung in den Massenmedien, doch die Realität dieser Männer ist eine ganz andere. Darum geht es im Folgenden.

Die Realität ist trostlos und zum Verzweifeln

Die meisten dieser Männer haben nie fachgerechte Hilfe erhalten, weil im Hilfesystem niemand die Hintergründe und das Gefühlsleben dieser Männer versteht oder verstehen will. Die Sichtweise, die von den Leitmedien in immer wieder neuen Dokumentationen verbreitet wird, ist einseitig, übertrieben zugespitzt und von Voyeurismus gekennzeichnet¹. Meist entlarven diese Filme nicht die betroffenen Männer, sondern ihre Macher: empathielos, gefühllos, sensationslüstern. Als Zielobjekte geht dabei um Männer, die unfreiwillig zölibatär leben, von einer kanadischen Sozialarbeiterin schon vor über 25 Jahren erstmalig mit dem Begriff INCELs („involuntary celibates“) benannt.

Die EU-Kommission hat sogar schon eine Sonderkommission im Bereich Terrorabwehr eingerichtet, um gefährliche INCELs frühzeitig zu identifizieren und abzuwehren. Auf die Idee, diesen Männern, die sich selbst mehr hassen als irgendjemand sonst, psychologisch oder sozialpädagogisch zu helfen, ist man bislang nicht gekommen. Die meisten INCELs sind hoffnungslose Männer und keine potentiellen Amokläufer. Wie kommt es zu dieser völligen Verweigerung von Verständnis und Hilfe für eine Gruppe von Menschen, die in Deutschland nach vorsichtigen Schätzungen bis zu 1 Mill. Männer umfassen könnte?

Wie gefährlich sind INCELs wirklich? Hilfe statt Gefahrenabwehr!

Aber vorab: Was hat es mit dem Gefahrenpotential der INCELs auf sich? Eine klare Minderheit aller INCELs (ca. 10%) betätigt sich in misogyner Online-Frauenfeindlichkeit (Jaki et al., 2019). Eine noch kleinere Zahl verhält sich gegenüber der Gesellschaft insgesamt oder Frauen speziell aggressiv (Hoffman, Ware & Shapiro, 2020), vermutlich weniger als 1%.

INCELs sind im Grunde schwache, ohnmächtige und frustrierte Männer, vor denen Angst mächtig geschürt wird. Am häufigsten hassen sie sich am Ende selbst, auch die Frauen, von denen sie zurückgewiesen werden oder Frauen insgesamt. 

Die Angstmache gegen INCELs kommt in erster Linie von radikalfeministischer Seite. Dort ist Mitgefühl mit Personen, die als Gegner eingestuft werden, ein Fremdwort. Offenbar ist es besonders leicht, auf schwache, wehrlos Männer medial einzuprügeln. Die oft als INCEL-Expertin genannte Veronika Kracher, Autorin eines äußerst unsachlichen, hasserfüllten Buches², ist ein Beispiel für diese vollkommen übertriebene Panikmache. Sie schreibt im September 2023 auf X: 

Männerdiskriminierung richtig und wichtig. Ich schlage vor, wir verurteilen pauschal und zurecht alle Männer als potentielle Täter, bis sie beweisen können dass sie es *nicht* sind, anstatt umgekehrt. Erspart viel Mühe und vor allem Schmerz und Gewalt“. 

Soweit ein kurzer Auszug zur „Expertise“ dieser in vielen Kreisen hochgelobten Autorin. Sie ist als Expertin für Männer im Allgemeinen und für INCELs im Speziellen völlig untragbar und inkompetent. 

Die Erzeugung von Panik gegenüber INCELs ist überwiegend unberechtigt und empirisch auch nicht haltbar. Das Risikopotential, das von politischen oder religiösen Extremisten ausgeht, ist um ein Vielfaches höher. Man sollte ihnen besser frühzeitig durch Psychoedukation, Beratung und Psychotherapie helfen. Der Weg der Leitmmedien (ARD, ZDF) ist jedoch der der Stigmatisierung und Ausgrenzung, wo Hilfe und Empathie nötig wären, bevor es zu spät ist. Ich bin sicher, wenn es sich um Frauen, die keinen Partner finden, handeln würde, gäbe es das nötige Verständnis schon längst. Und in der Tat: Für erfolgreiche Frauen um die 50, die nach Trennung oder Scheidung keinen neuen Partner finden (häufigeres Phänomen), interessiert sich die Presse lebhaft und zeigt auch intensives Mitgefühl. 

INCELs – ein Problem von Männern auf Basis mangelnden sexuellen Erfolges

Wer sind INCELs wirklich? Es geht um Männer, die trotz intensiven Bemühens keine Sexualpartnerinnen – und damit auch keine Lebenspartnerin – finden. Obwohl keine genauen Zahlen über die Häufigkeit dieser Männer vorliegen, ist klar, dass es nicht um wenige Betroffene handelt. Im Jahre 2018 berichtete der US-amerikanische „General Social Survey“, dass 28% der 18- bis 30-jährigen Männer im letzten Jahr keinen Sex hatten (Vergleichszahl Frauen: 18%!). In der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen stieg der Anteil der Männer ohne Sexualität in den letzten 12 Monaten vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2018 von 18.9% auf 30.9%³. Vergleichbare Zahlen für Deutschland liegen nicht vor. 

In der Entwicklungsgeschichte der Menschen sind solche Unterschiede nicht ungewöhnlich. Für frühere Gesellschaften – etwa im Neolithikum – wird aufgrund genetischer Analysen davon ausgegangen, dass 20% der Männer für 80% aller Zeugungen verantwortlich waren. Die Männer, die sich so erfolgreich fortgepflanzt haben, werden heute Alpha-Männer genannt, weil sie den sexuellen Zugriff auf die meisten Frauen hatten. Mit anderen Worten: Bis zu 80% der Steinzeitmänner hatten keinen oder kaum Sex mit Frauen. Es gab also schon neolithische INCELs, die jedoch eng in Großfamilien (Sippen) eingebunden waren, und daher nicht so stark unter Einsamkeitsproblemen gelitten haben dürften, wie dies heute der Fall ist. 

Die romantische Liebe macht hässliche Männer zu INCELs

Aufgrund der seit der Sesshaftwerdung der Menschen stattgefundenen „Erfindung“ der Monogamie und der Patrilinealität – der Organisation der Familien und damit des Besitzes und der Erbschaften entlang der väterlichen Linie - haben sich später die soziosexuellen Verhältnisse für Männer und Frauen deutlich verändert. Männer haben im Rahmen dieses Modells die Garantie der Versorgung von Frauen und ihren Kindern übernommen und wurden dafür mit dem Versprechen der sexuellen Treue belohnt. Aber seit dem Zeitalter der romantischen Liebe – seit etwa 200 Jahren -, in deren Rahmen sich zwei Liebespartner finden und wählen und dies nicht mehr in der Verantwortung der Eltern als arrangierte Ehen liegt, haben Männer mit physischen und psychischen Defiziten einen schweren Stand.

Es sind besonders Männer, die in den Augen der meisten Frauen hässlich, unattraktiv, zu klein und körperlich zu schwach sind, die Gefahr laufen, keinen Erfolg in der sexuellen Selektion zu erringen. Ungünstige psychische und soziale Merkmale kommen in einem zweiten Schritt meist noch selektiv dazu. Bis zu 12% aller Männer heutzutage sind im Alter von 30 Jahren immer noch sexuell unerfahren, haben meist trotz eifrigem Werbeverhalten keinen Erfolg bei Frauen. Dadurch werden sie unfreiwillig zu „männlichen Jungfrauen“, den INCELs (involuntarty celibates). Wie Männer diese Erfahrung von Zurückweisung und Erfolgslosigkeit verkraften, ist die zentrale Frage für ihre weitere Entwicklung. Wissenschaft und Medien interessiert diese Frage kaum.

Welche Jugendliche werden zu INCELs? – Determination, Risiko und Auswege

Verschiedene Gruppen von Männern sind gefährdet, zu INCELs zu werden. Dazu zählen vor allem eine geringe Körpergröße (kleiner als etwa 175 cm) sowie eine mangelnde physische Attraktivität hinsichtlich klassisch männlicher Merkmale wie markantem Kinn und Backenknochen, symmetrischem Gesicht sowie breiten Schultern. Das Merkmal der physischen Attraktivität ist wie viele andere körperliche und psychische Merkmale bei Menschen normalverteilt. Dies bedeutet, dass die meisten Männer mittlere Werte erreichen und wenige an den Rändern liegen. Besonders attraktiv sind nur wenige, dasselbe gilt für das Gegenteil. Die 15% bis 20% Hochattraktiven sind diejenigen, die von Frauen – gerade in Zeiten des Online-Datings – geradezu automatisch ausgewählt werden.

Diese – nun wieder als Alpha-Männer in Erscheinung tretenden Männer - sind jene, die oft von anderen Männern wegen ihrer Erfolge bei Frauen beneidet und bewundert werden. Bei ihnen ist oft auffällig, dass sie Sexualkontakte zu Frauen geradezu konsumieren, schnell ihre Beziehungen wechseln und so ihren großen Erfolg durchgängig genießen, einfach weil sie aus einem Überangebot von Frauen wählen können. Alpha-Männer sind diejenigen, von denen andere Männer Frauen zu überzeugen versuchen, dass diese nur oberflächlich und gefühllos sind. In den Augen der erfolglosen Männer sind sie echte „Arschlöcher“, die Frauen nur ausnutzen und wegwerfen.

Die meisten Frauen interessiert dies wenig, da Alpha-Männer genau den 15-20% der Männer entsprechen, nach denen sie aufgrund ihrer psychoevolutionären Prägung unbewusst streben. Für sie ist das Zusammensein mit einem Alpha-Mann die Erfüllung ihrer unbewussten Träume, auch wenn sie hernach oft enttäuscht werden. Postmoderne Frauen wählen sich oft einen Alpha-Mann als Trophäe, ohne überhaupt an Langzeitverläufe zu denken. Dieses Verhalten hält aber meist nur bis in die früher 30-er Lebensjahre an, weil es danach ernst wird mit Kinderwunsch und Familienplanung. 

Die anderen Männer, die Betas, die nur durchschnittlich oder wenig attraktiv sind, kommen erst in Betracht, wenn es bei Frauen um Absicherung, Zweitehen (oft mit Versorgung schon vorhandener Kinder) oder Verbesserung des sozialen Status (ökonomische Hypergamie) geht. Auch wenn sich diese Partnerwahlmuster in Einzelfällen heutzutage verändert haben, was in der Presse oft übertrieben wird, gilt für die große Mehrheit der Frauen und Männer das beschriebene Muster. Die Partnersuche auf der Basis von Online-Dating-Portalen (wie Tinder, Bumble usw.) verstärkt die Dominanz visueller Auswahlkriterien noch. 

Ein Fallbeispiel für einen INCEL ohne Erfolg bei Frauen

Zur Verdeutlichung des Beschriebenen hier ein Fallbeispiel aus meiner psychotherapeutischen Praxis:

Fallbeispiel: Oliver (32 Jahre)

Oliver* hat seit der Pubertät immer wieder Zurückweisungen von Frauen erlebt. Er entspricht mit seinen 1,72 m und 115 kg ganz und gar nicht dem vorherrschenden und auch biologisch vorgeprägten Schönheitsideal. Im Zuge der letzten 15 Jahre hat er kontinuierlich ca. 25 kg zugenommen. Er hat als Jugendlicher erlebt, dass seine sportlich-athletischen Peers die Mädchen reihenweise erobert und „rumgekriegt“ haben, während seine Bemühungen auf Zurückweisung oder sogar Lächerlichmachung durch die Mädchen gestoßen sind. Seine Kumpel begegneten ihm meist mit Mitleid oder Ignoranz. Er hat mit 16 Jahren begonnen, als „Trost“ und zur Abreaktion (Masturbation) online mehr und mehr Pornographie zu konsumieren. Inzwischen gibt ihm dies aber immer weniger. Er fühlt sich nach dem oft zwanghaften Masturbieren noch negativer und unfähiger.

Die Mechanismen der sexuellen Selektion, nach denen gutes Aussehen hinsichtlich Größe, markantem Gesicht und Körperkraft den erfolgreichen Eintritt in den Partnermarkt (dating und mating) determinieren, sind ihm lange Zeit nicht klar gewesen. Er versuchte immer wieder, Erfolg bei Frauen zu haben, kam aber nie zum Ziel. Die Zurückweisungen durch Frauen machten ihn traurig und deprimiert. Er sah darin zunehmend den Beweis für seine körperlichen Defizite und Auffälligkeiten. Aus Frust begann er, wahllos Essen in sich hinzustopfen und massiv an Gewicht zuzunehmen. Sein bester Freund, der groß und gutaussehend ist, hatte schon viele Beziehungen, Affären und One-Night-Stands. Nach und nach werden Oliver die Gründe für seine Misserfolge klar. Es schmerzt ihn sehr, dass er ausschließlich aufgrund seines hässlichen Aussehens keine Sex- oder Liebesbeziehung findet. Er hasst sich dafür zunehmend, mag aber seine Bemühungen nicht aufgeben. Er hat sich lange Zeit bemüht, eine Frau zu finden, die ihn akzeptiert. Er suchte bewusst eine Liebesbeziehung und nicht eine rein sexuelle Begegnung. 

Aber nach seltenen scheinbaren Anfangserfolgen hat er am Ende, wenn es intimer und körperlicher werden sollte, stets Zurückweisungen erfahren. Innerlich wurde er zunächst traurig, dann verzweifelt, schließlich ärgerlich und wütend. Seine anfängliche Begeisterung und Leidenschaft für Frauen sind zunehmend in Resignation umgeschlagen. Er bemüht sich sehr, Frauen nicht zu hassen und sieht sie eher als Opfer ihrer unbewussten Triebe denn als aktive Täterinnen. Seit einiger Zeit tauscht er sich mit anderen Männern, denen es genauso ergeht, in sogenannten INCEL-Foren aus. Das zieht ihn oft noch weiter runter. Trotzdem fühlt er sich dort wenigstens verstanden, auch wenn die Peers dort sich immer wieder beschimpfen, wie hässlich andere oder sie selbst sind. Trotzdem lässt ihn das Ganze am Ende ratlos zurück. 

* Name und Details zur Nicht-Erkennbarkeit verändert

 

Woran liegt es? Gründe für die Entwicklung zum INCEL

Die Ursachen für die Erfolglosigkeit der Männer bei Frauen sind von verschiedener Art, aber dennoch einfach zu verstehen. Mindestens drei Subgruppen von Männern sind diesbezüglich vorhanden: 

(1) wenig attraktive Männer, die aufgrund dessen Zurückweisungen von Frauen erhalten. Diese Zurückweisungen verstehen sie als die Konsequenz ihrer Unattraktivität, die sie oft als Hässlichkeit bewerten. Bei ihnen entwickeln sich besonders häufig Selbsthass, Depressivität und Suzidalität, aber auch Suchtprobleme. 

(2) wenig attraktive Männer, die dies nicht wahrhaben wollen oder abwehren und aufgrund dessen die Zurückweisungen von Frauen nicht verstehen und die Ursache dafür ausschließlich in den Frauen sehen. Dies kann zu Fremdhass, insbesondere auf Frauen (Misogynie) und auch auf erfolgreiche Männer, führen.

(3) Männer mit psychischen Problemen (vor allem Autismus, Schizoidie, Schizophrenie, soziale Ängstlichkeit, Schüchternheit, Suchtstörungen), die durchaus eine physische Attraktivität aufweisen können. Bei näherer Bekanntschaft wandelt sich dieses Bild in den Augen der Frauen sehr schnell in Richtung einer nicht attraktiven Persönlichkeit. 

Der physisch unattraktive Typ und der psychisch problematische Typ kann getrennt und kombiniert auftreten. Die Typen können sich in der Negativentwicklung auch gegenseitig verstärken. Diese Wechselwirkung kann darin bestehen, dass Männer vom Typ 1 und 2 zunehmend psychische Probleme entwickeln und damit ihre Gesamtattraktivität noch niedriger wird. Zu den psychischen Problemen gehören neben Depressivität und Suizidaliät auch exzessiver Alkohol- und Drogengebrauch, Online- und Mediensucht, besonders in Bezug auf Pornographie. 

Mitgefühl mit INCELs? – Überall Fehlanzeige!

Das Mitgefühl der meisten Menschen mit INCELs ist gering. Sie werden für ihre Erfolglosigkeit selbst verantwortlich gemacht. Frauen fühlen sich oft von ihnen ganz und gar nicht angezogen, oft genervt, wenn diese zu sehr werben oder gar nachstellen. INCELs entsprechen eben nicht ihren Wünschen an einen Partner für Sex und Kindeszeugung. Dass diese Männer keine Chance auf Erfolg bei Frauen haben, ist eines der Tabus in der heutigen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund der Gleichheitsideologie kann nicht sein, was nicht sein darf. Zum einen ist dann oft der Satz „Wenn die etwas abnehmen und sich richtig anstrengen, wird das auch was“ zu hören, zum anderen entwickelt sich die Haltung des „blaming the victim“, was für die Mehrheitsgesellschaft entastend und schuldbefreiend wirkt. Das geht dann so: Wenn diese INCELs so gefährlich sind, dass sie sogar Amokläufer und Terroristen werden, dann braucht man mit ihnen ja kein Mitleid haben. 

Dass Männer, die hundertfach alleine wegen ihres Aussehens zurückgewiesen wurden, negative Emotionen – vor allem auf sich selbst, oft aber auch auf Frauen – entwickeln, ist keine Überraschung. Betrachten wir das Ganze nur einmal umgekehrt: Da langt es schon, dass Frauen wegen ihres guten Aussehens immer wieder Nachstellungen (cat calling usw.) erleben, um ihnen die ganze Welle des Mitgefühls wegen Sexismus zuteil werden zu lassen. Oder wenn Frauen mit Übergewicht in sozialen Netzwerken stigmatisiert werden, bekommen sie tausendfach Solidarität für diese Ungerechtigkeit des Lookism. Noch nie hat sich jemand mit INCEL-Männern solidarisiert, die aufgrund ihrer Hässlichkeit, ihres Fettseins oder ihrer psychischen Auffälligkeit (Schizoidie, Autismus usw.) keinen Erfolg bei Frauen haben. Dabei stellt auch dies eine Form des Sexismus dar, wenn Männer wegen ihres Aussehens Zurückweisung erfahren. Es ist umgekehrter, negativer Sexismus.

Medien haben sich auf INCELs eingeschossen – aber nicht, um ihnen zu helfen…

Viele Medien haben sich in einer fixierten, sensationsheischenden Art auf INCELs eingeschossen. Feministische Autorinnen wie Veronika Kracher setzt noch eins drauf, indem sie den Hass und die Abscheu vor INCELs auf die Spitze treibt, weil diese eine Bedrohung für Frauen und Gesellschaft darstellen würden. In ihrem Buch „INCELS – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ erfährt man wenig zu den psychologischen Nöten der Männer, aber viel Geraune und Spekulationen zu ihrer vorgeblichen Gefährlichkeit. Hass und Hetze werden so zum einträglichen Geschäftsmodell. Die voyeuristische Perspektive auf diese angeblich hasserfüllten, gewaltbereiten, misogynen Kreaturen füllt immer wieder Spalten und Sendeminuten. Das bringt Kohle, aber keine Hilfe!

Dabei wären ganz andere Zugänge zur Prävention und Aufklärung nötig: Empathie, Mitgefühl, Hilfe und ehrliche Information über zwischengeschlechtliches Selektionsverhalten. INCELs sind kein Fall für den Geheimdienst oder die Terrorabwehr, sondern für Prävention und Psychotherapie. Eine Gesellschaft, die das Thema der INCELs tabuisiert und verbiegt, ist darüber hinaus ein Fall für die Couch!

Voyeurismus und Stigmatisierung: Das Thema INCELS in den Medien

Es herrschen voyeuristische, empathielose Sendungen vor. Vor allem das ZDF hat sich mehrfach negativ mit solchen Sendungen hervorgetan. Ohne journalistische Sorgfalt und den gebotenen Abstand werden Aussagen der Aktivistin Veronika Kracher aus deren Buch übernommen und schaffen es sogar in die HEUTE-Sendung. Das Buch stammt von einer echten Männerhasserin, unfähig, auch nur eine Spur von Empathie für die einsamen Männer aufzubringen, die noch nie eine Frau hatten. Die reale Interaktion mit betroffenen Männern hätte gelangt, das Phänomen INCELS zu verstehen und in ausgewogener Art darüber zu berichten. Aber die Autorin hat nie auch nur mit einem betroffenen INCEL gesprochen.

Die Medienberichterstattung über INCELs ist von voyeuristischer Gefühllosigkeit gekennzeichnet. Feministische Autorinnen veröffentlichen Dokumentationen, meist ohne je mit einem betroffenen Mann gesprochen oder seine innere Lage verstanden zu haben. Sie verunglimpfen und stigmatisieren damit die Männer, die ohnehin schon jahrelange Demütigungen und Kränkungen aufgrund ihres Aussehens erlebt haben, noch weiter. Wie unwahrscheinlich das in solchen Sendungen immer wieder bemühte Narrativ vom INCEL als Amokläufer ist, zeigt ein Blick auf die Epidemiologie. Wenn in Deutschland 5% aller Männer zwischen 18 und 29 Jahren ohne sexuelle Erfahrung sind, was konservativ niedrig geschätzt ist, dann sind ca. 0.67 Mill. Männer betroffen. Gleichzeitig gab es in den letzten 20 Jahren nicht mehr als fünf von INCELs begangene tödliche Gewalttaten. 

Erstaunlich ist vor allem die voyeuristische Fixierung der ÖRR-Medien auf das INCEL-Thema. Immer wieder wird sensationsheischend vom INCEL als rechtsextremen Terroristen und Amokläufer berichtet. Stets von Neuem wird eine Radikalisierung von INCELs in den Rechtsextremismus oder in Richtung Hassdelikte beschworen. Außer in Bezug auf wenige Einzelfälle bleiben die jeweiligen Autorinnen Beweise jedoch schuldig. 

INCELs, die in aktivistischen Netzwerken unterwegs sind, geraten zwar immer wieder unter rechtsradikalen Einfluss, weil ihnen hier ein Heilsversprechen für ihre Misere suggeriert wird. Die große Mehrheit der INCELs aber ist davon nicht betroffen und leidet eher unter Vereinsamung und Selbsthass. 

Fazit: Die Gesellschaft sollte durch akzeptierende und nicht ausgrenzende Maßnahmen helfen, dass sich so wenige INCELs wie möglich radikalisieren.

INCELs brauchen keine voyeuristischen Journalisten, sondern hilfreiche und empathische Menschen und Psychotherapeuten, und das frühzeitig in ihrem Leben. Dass sie im Schulsystem keine präventiven Hilfen erhalten, ist ein großes Manko und zeigt die Ignoranz des Systems für diese Jungen. Würde man ihre Problematik frühzeitig erkennen und aufgreifen, könnte viel Leid verhindert werden. Genauso wenig wie sie von Frauen positive Aufmerksamkeit erhalten, bekommen sie diese vom Schul- und Gesundheitssystem. 

Wer ist schuld: Die INCELs, die Frauen, die Gesellschaft?

Eines vorab: Weder INCELs noch Frauen tragen Schuld an der Situation, dass einerseits diese Männer keine Sexualpartnerinnen finden und andererseits Frauen diese Männer nicht als Sexualpartner wollen. Das zugrundeliegende Problem ist eine dysfunktionale und irreale Gleichheitsideologie. Die meisten INCELs sind unattraktiver als andere Männer und sind deshalb auf dem Partnermarkt so gut wie chancenlos. Solange dies nicht erkannt und – dann vor allem – auch kommuniziert wird, werden die betroffenen Männer belogen und in falschen Erwartungen gehalten. Frauen folgen bei der Partnerwahl ihren impliziten, evolutionär geprägten Mustern: Sie wollen den bestmöglichen Mann für sich und ggf. ihren Nachwuchs – und diesen stellt der INCEL ganz bestimmt nicht dar. 

Solange INCELs das Narrativ der Gleichheit – gleiche Chancen auf Sex und Partnerschaft – vermittelt wird, verlängert sich ihr von irrationalen Erwartungen und Hoffnungen getragenes Leiden. Die Gesellschaft hätte die Aufgabe, wahrhaftige und evidenzbasierte Informationen zu liefern, auch wenn diese für INCELs niederschmetternd sind. Die Wahrheit ist: INCELs haben kaum oder keine Chancen auf Erfolge auf dem Dating-Markt, vor allem wenn dieser sich ausschließlich auf das Aussehen bezieht – wie etwas bei Tinder, Bumble usw. 

Den Frauen, die Sex oder Partnerbeziehung suchen, kommt auch keine Schuld zu. Denn sie verhalten sich so, wie es die Evolution vorbestimmt hat. Gutes Aussehen, so haben Frauen über viele Hunderttausende von Jahren gelernt, bietet die besten Chancen auf Schutz, Aufstieg und gesunden Nachwuchs. Man sollte diesen Effekt allerdings auch heute nicht leugnen. Sie sind auf der Suche nach dem bestmöglichen, d.h. bestaussehenden und bestausgestatteten, Mann. Viele Frauen stabilisieren unbewusst mit ihrem Partnerwahlverhalten die Orientierung an der klassischen Männlichkeit (Stärke, Erfolg, Schutz). 

INCELs fallen nicht vom Himmel – sie werden gemacht

Die Entwicklung eines Jungen zum Mann, der dann jahrelang bei Frauen erfolglos bleibt und ein INCEL wird, ist eine Geschichte des Leids, der Kränkungen und Zurückweisungen. Diese geschehen aufgrund des unattraktiven Aussehens oder des psychisch abweichenden Habitus des Jugendlichen. Hinzu kommt meist das fehlende Mitgefühl des Umfelds – andere Jungen und Mädchen, welche den sexuell erfolglosen Jugendlichen im schlimmsten, aber nicht seltenen Fall mobben. Die Entwicklungsgeschichte von INCELs ist meist voller Frustrationen und Kränkungen bei der Suche nach Sex und Partnerschaft.

Die Entwicklungsgeschichte von INCELs verläuft nicht selten wie eine Spirale nach unten: Von Ablehnung, Unverständnis, Kränkung, Selbstzweifel, Ärger, Wut und Depression verläuft die Entwicklung zu Selbsthass und auch Fremdhass, wenn dieser Kreislauf aus Frustration und emotionaler Verwahrlosung nicht unterbrochen wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Entwicklung empirisch und gesundheitspolitisch zu verstehen und zu intervenieren. Die Berichte, die in den Medien präsentiert werden, sind fast immer nur die Endzustände, das hoffnungslose Finale. Diese Art der Berichterstattung verstärkt den Kreislauf nach unten, wie dies auch oft die Online-Communities von INCELs tun. Letztere sind jedoch oft die einzige Möglichkeit aus Sicht der Betroffenen, völliger Vereinsamung und sozialer Isolation zu entkommen. 

Die für die Betroffenen entscheidende Frage ist dann, wie sie die vielen negativen Ereignisse verarbeiten. Auf der einen Seite können Selbst- und Fremdhass sowie Depression und Verbitterung entstehen, auf der anderen Seite können diese Männer auch andere Lebensperspektiven und -inhalte jenseits einer oft zwanghaften Sex- und Partnersuche entwickeln, so dass sie insgesamt resilienter werden (siehe Kap. „Lösungen, Hilfen, Perspektiven“). 

Alte und neue INCELs

Meist werden INCELs gesellschaftlich negativ stigmatisiert und geächtet. Dies geschieht besonders, wenn sie dem Stereotyp des weißen, hässlichen Mannes entsprechen. Das Bild des unbeholfenen, hässlichen jungen weißen INCELs hat lange die Medien beherrscht. Es verwundert nicht, dass die meisten Quellen auf INCELs als weiße, patriarchalische Männer fokussieren und dann ihre Stereotype in Bezug auf diese Personengruppe durchdeklinieren. Neuerdings wird immer klarer, dass die Zahl migrantischer INCELs sehr hoch ist und sie eine relevante Subgruppe darstellen.

Da diese Männer im intersektionalen Feminismus weniger negativ beurteilt werden, wird ihnen tendenziell mehr Sympathie und Empathie entgegengebracht. Hinter der hohen Zahl migrantischer INCELs in den westlichen Staaten steckt das nicht überraschende Faktum, dass sich die große Zahl männlicher Zuwanderer in der für sie fremden und oft unverständlichen Kultur des Westens bei der Partnersuche besonders schwer tun, wenn sie darauf angewiesen sind, eine Frau aus der Kultur des Aufnahmelandes zu finden. Nach aktuellen Schätzungen sind bis zu 30% der INCELs in Deutschland Migranten der ersten Generation. 

Radikalisierung – eine Gefahr?

Bislang gab es immer wieder extremistische, radikalisierte Männer aus der INCEL-Szene, die durch schreckliche Verbrechen Schuld auf sich geladen haben. Die Zahl der dokumentierten Tötungsdelikte durch Amokläufe und Mass Shootings durch bekannte INCELs wird von Brian Van Brunt und Chris Taylor (2021) auf 54 Fälle beziffert, die fast alle in den letzten 25 Jahren stattgefunden haben. Hinzu kommt eine nicht bekannte Zahl von nicht tödlichen Gewaltverbrechen aus Hassmotiven.

Schuld kann und sollte man nicht relativieren. Dennoch ist es aus psychologischer Sicht wichtig zu vermerken, dass es andere Menschengruppen gibt, die viel häufiger solche Schuld auf sich laden – Psychopathen, Soziopathen, Berufskriminelle, politische und religiöse Extremisten. Jedenfalls ist die Fokussierung auf Amokläufe von INCELs in den Medien nicht durch ihre besondere Gefährlichkeit zu rechtfertigen. In allen Fällen sollte Offenheit und Transparenz, aber keine Panik und kein neuerlicher Hass, zu den Hintergründen und Zahlen herstellt werden. 

Wenn INCELs den zurückweisenden Frauen Schuld zuschreiben und sich in Hass- und Gewaltphantasien hineinsteigern, droht Gefahr. Dieser Entwicklung sollte durch effektive und zielgerichtete Jugendhilfe-, Präventions- und Psychotherapiemaßnahmen frühzeitig entgegengewirkt werden. Da die Radikalisierung einzelner INCELs sich in Stufen entwickelt und meist einem Trichtermodell der Gefahrenentwicklung über Monate und Jahre hinweg entspricht, ist die Unterbrechung dieser Entwicklung von größter Bedeutung. Oft vollzieht sich der Radikalisierungsprozess in sozialen Netzwerken, so dass auch hier Beeinflussungsmöglichkeiten bestehen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie sehr sich die Medienwelt auf die Taten einzelner INCELs stürzt. Die wenigen Taten hasserfüllter terroristischer INCELs führen dazu, dass deren Handeln auf alle generalisiert werden und die Gruppe noch mehr negativ stigmatisiert wird. Die große Gruppe der nicht gewaltbereiten INCELs, die ohnehin mental und psychologisch am Boden liegen, werden damit ein weiteres Mal unverstanden und ohne Hilfe im Stich gelassen. Psychopathen und Soziopathen sind in ihrer Gesamtheit um ein Vielfaches gefährlicher und riskanter für die menschliche Gesellschaft. 

Lösungen, Hilfen, Perspektiven

Bislang gibt es keine systematischen evaluierten Hilfen für INCELs. Es fehlen weitgehend Forschungsstudien und evidenzbasierte Programme für Psychotherapie bei diesen Männern. Dennoch lassen sich schon jetzt nützliche und hilfreiche Strategien ableiten, die systematischer Überprüfung in Bezug auf die beschriebene Klientel unterzogen werden sollten. Daher an dieser Stelle einige Ideen und Hinweise, welche Interventionen hilfreich sein könnten:

(1) 

Kognitive Klärung, kognitive Verhaltenstherapie, Psychoedukation: INCELs sollten verstehen, warum sie überwiegend oder nur negative Feedbacks auf dem Partnermarkt erhalten; nach Möglichkeit sich nicht auf dem frustrierenden Online-Dating Markt mit ausschließlich visueller Selbstpräsentation (Tinder, Bumble etc.) bewegen; das Prinzip der sexuellen Selektion („female choice“) verstehen. Durch kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen (Rational-Emotive-Therapie nach Ellis; Kognitive Therapie nach Beck) die eigenen negativen und irrationalen Gedanken erkennen und modifizieren; realistische Erwartungen aufbauen und verfolgen. 

Eine typische irrationale Haltung von INCELs ist, dass sie ein Recht auf Sexualität mit Frauen haben. Ein tieferes Verständnis des menschlichen Paarungsverhaltens zeigt, dass es ein solches Recht in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht geben kann. Aber auch die Erkenntnis, dass die Welt niemals gerecht und perfekt sein kann, gehört zu den wichtigen Kardinalkognitionen. Damit sind grundlegende Erkenntnisse über die Welt und das Leben gemeint. Vor allem sind es der „Gerechte-Welt-Glauben“, die „Alle-müssen-mich-lieben-Haltung“, der „Anstrengung-muss-Erfolg-bringen-Mythos“ und das „Immer-perfekt-sein-Streben“, die den Menschen das Leben übermäßig beschwerlich und unzufrieden machen.

(2) 

Feedback und Selbstoptimierung: lernen sich selbst und die eigene Attraktivität adäquat einzuschätzen; eigene Interaktionsverhaltensweisen optimieren; in kleinen Schritten mehr über sich lernen und behutsame Schritte bei der Suche nach Frauen gehen, ohne sich selbst psychisch zu überfordern oder zu beschämen. Am besten von der zwanghaften Suche nach einer Frau lassen und sich nicht mehr unter Zugzwang und Erfolgsdruck setzen. Den Stress aus der Suche nach Sex und Partnerschaft herausnehmen. 

(3) 

Emotionale Klärung: Die mit Kränkungen und Zurückweisungen verbundenen Emotionen wahrnehmen und verarbeiten; besseren Selbstschutz aufbauen; Attributionsmuster in Zusammenhang mit Kränkung und Zurückweisung verändern; Gefühle von Selbst- und Fremdhass bearbeiten und verändern. Lernen mit wiederholten Enttäuschungen und Zurückweisungen umzugehen. Dabei Selbstakzeptanz bewahren oder wieder aufbauen. Sich vor Verbitterung bewahren oder lernen, diese aufzulösen und alternative emotionale Regulationsstrategien entwickeln. 

(4) 

Existentielle Therapie: Wichtig ist es, die langfristigen Ziele und Lebensinhalte zu klären. Dies geschieht in der existentiellen Psychotherapie nach Irvin D. Yalom oder in der Logotherapie nach Viktor Frankl. Hier geht es um Fragen des Lebenssinns, der vernünftigen Lebensinhalte und des eigenen erfüllenden Seins. Die genannte Perspektive führt zu spirituellen Fragen nach dem tieferen Sinn der Existenz und des Lebens. Dies kann auch bedeuten zu hinterfragen, ob bei anhaltender Erfolglosigkeit bei der Partnersuche ein anderes Lebenskonzept passender ist und letzten Endes für mehr Zufriedenheit sowie Ausgeglichenheit sorgt. 

(5) 

Stoische Therapie: Eng verwandt mit den sinnsuchenden Therapien ist die Haltung nach der in der antiken griechischen Philosophie begründeten Schule der Stoa. Bei einer stoischen Therapie wird die Frage des Erreichbaren und des Nicht-Erreichbaren beleuchtet. Beides soll bewusst voneinander unterschieden werden. Es sollen keine nutzlosen Energien in nicht erreichbare Ziele gesteckt werden. Gleichzeitig werden die stoischen Grundtugenden „Mut, Mäßigung, Gerechtigkeit und Weisheit“ vertieft und als Lebensmaxime erprobt. Oft verfolgen Menschen, so auch INCELs, zwanghaft Wege, die sie nicht zur inneren Ausgeglichenheit und Balance führen. So kann es klug und weise sein, nicht auf dem visuell fixierten Online-Dating-Markt mit anderen Männern zu konkurrieren und abzuwarten, bis die persönliche Chance auf eine Beziehung oder andere Lebensinhalte kommen. 

(6) 

Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT): Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) nach Steven C. Hayes ist ein transdiagnostischer kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz, dessen Ziel es ist, Menschen zu vermitteln, ihren emotionalen Problemen mit Akzeptanz, Achtsamkeit und Mitgefühl offen zu begegnen. Gleichzeitig sollen sie erkennen, was ihnen in ihrem Leben in einem tieferen Sinne wichtig ist und dies mit Hingabe und Intensität zu verfolgen. Zu den Zielen dieser Therapieform zählen neben Akzeptanz und Achtsamkeit vor allem die kognitive Dekonstruktion und Defusion blockierender Haltungen, die bewusste Wahrnehmung der Prozesse des eigenen Selbst sowie eine Ausrichtung des eigenen Handelns auf selbstgewählte, tiefere Werte. Mit Defusion ist die bewusste Trennung zwischen der eigenen bewertenden Wahrnehmung und der gegebenen Realität gemeint.

Die Therapie besteht hauptsächlich darin, die Person darin zu unterstützen, ihre dysfunktionalen Kontrollversuche abzubauen, indem sie ihre Bereitschaft erhöht, auch unangenehme Wahrnehmungen und Empfindungen zuzulassen (acceptance). Diese werden als das, was sie sind, nicht als das, was sie zu sein vorgeben, erkannt. Es geht darum, Wunsch- und Trugbilder abzubauen und die Gegebenheiten mit einer tieferen Selbstreflektion zu verstehen. Es können auch Weisheitsansätze, wie Buddhismus oder Stoa (siehe Pkt. 5), verwendet werden, um zu tieferen Einsichten zu kommen. Einen großen Raum nimmt in einer Therapie nach dem ACT-Modell die Klärung von Werten und Lebenszielen ein, aus denen dann konkrete, umsetzbare Handlungsschritte (commitments) abgeleitet werden.

Was INCELs und die Gesellschaft am meisten brauchen

Die Situation von INCELs muss in der öffentlichen Wahrnehmung anders dargestellt und gewichtet werden. Die Gesellschaft muss weg von der durch die Medien geschürten, völlig übertriebenen und latent oder offen von Ablehnung und Hass gekennzeichneten Sichtweise auf INCELs. Diese sind in erster Linie psychisch schwer gekränkte Menschen und keine potentiellen Amokläufer. Deshalb sind diese Jugendlichen und Männer in erster Linie hilfebedürftig. Sie sind nicht so sehr eine Bedrohung für die Gesellschaft, sondern ein Problem für sich selbst, da sie die vielen Zurückweisungen und Kränkungen, die sie bei der Sex- und Partnersuche erleben, entweder nicht verstehen oder nicht bewältigen können.

Dort, wo bei den Betroffenen Hass und Verbitterung herrschen, gilt es in besonderer Weise, Hilfen und Therapiemöglichkeiten anzubieten. Die Gesellschaft lässt keine andere Personengruppe mit großem Leid so sehr im Stich wie diese Männer. Dies ist ein nicht zu verkennender Hinweis, dass die Gegenwartsgesellschaft selbst ein großes Problem mit der Realisierung und Akzeptanz des Problems dieser Männer hat und den ganzen Hintergrund ihrer Lage am liebsten verleugnet. 

Dass Männer beim Versuch der Befriedigung eines der zentralsten menschlichen Bedürfnisse (Sexualität, Nähe, Partnerschaft) fast nur auf Zurückweisungen und Kränkungen stoßen, ist so hochproblematisch und in Einzelfällen tragisch, dass es hier frühzeitige Hilfen und Prävention geben muss. Eine mitfühlende Gesellschaft würde dies erkennen. Eine Gesellschaft, in der ein großer Gender-Empathy-Gap gegenüber Männern besteht, ist nicht bereit und in der Lage, diese emotionale Blindheit zu realisieren.

Die gegebene gesellschaftliche und individuelle Situation führt INCELs nicht selten zu Depression und Suizidalität, aber auch zu Selbst- und Fremdhass. Hier sollte ein öffentliches Interesse an Hilfen vorhanden sein und eine Abkehr von der meist voyeuristisch motivierten Fokussierung der Medien in Richtung Gefährlichkeit und Hass. INCELs brauchen frühe Hilfen, müssen die Abläufe in ihrem Leben verstehen und sich selbst weiterentwickeln können, damit keine Radikalisierung zu Selbst- und Fremdhass geschieht. Die bislang teilnahmslose Gesellschaft braucht einen Weckruf, dass sie nicht länger bestenfalls voyeuristisch zuschaut, sondern Verantwortung für diese Jugendlichen und Männer übernimmt. Integration statt Stigmatisierung! 

¹ (1) https://story.ndr.de/incels/index.html 

(2)  https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/incels-amok-frauenhass-toxisch-100.html 

(3)  https://www.ardmediathek.de/video/y-kollektiv/suizid-gewalt-frauenhass-wie-gefaehrlich-sind-incels-in-deutschland/funk/Y3JpZDovL2Z1bmsubmV0LzEwNTkvdmlkZW8vMTcwMjY4Mg

² Kracher, Veronika: Incels - Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults, ventil verlag 2020

³ Ueda P et al.: Trends in frequency of sexual activity and number of sexual partners among adults aged 18 to 44 years in the US, 2000-2018. JAMA Network Open 2020; 3(6): e203833

⁴ Van Brunt, Brian & Taylor, Chris (2021). Understanding and Treating Incels: Case Studies, Guidance, and Treatment of Violence Risk in the Involuntary Celibate Community. New York: Routledge. 


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