Tiefpunkte durch Scheitern, Verlust und Versagen im Leben sind für niemanden angenehm. Wir alle versuchen, diese Ereignisse im Leben zu vermeiden, trotzdem trifft es jeden. Wann und wie oft dies geschieht, entzieht sich meistens unserer Kenntnis. Tiefpunkte sind unberechenbare Lebensereignisse, das macht die Angst vor ihnen noch stärker. Für Männer ist das Scheitern im Leben meist besonders kritisch, wenn sie sich – wie so oft - sehr auf den Beruf fixiert haben. Aber auch die Trennung von der Partnerin – zwei Drittel aller Trennungen gehen von Frauen aus – kann Männer hart und vernichtend treffen. Die höchste Suizidquote bei Männern besteht in den ersten sechs Monaten nach einer Trennung durch die Partnerin. Aber das Scheitern an einem Lebensplan kann auch zur Chance werden. Es kann dazu führen, eigene und fremde Fehler genauer zu erkennen, sich in der Folge zu verändern, kurz: es besser zu machen, falls sich die Chance dazu noch einmal bietet. Für Männer ist ein offener, nicht zu Rückzug und Vereinsamung führender Umgang mit persönlichem Scheitern besonders wichtig. Männer erleben mehr Abstürze im Leben als Frauen: aus beruflichen und privaten Kontexten. Und sie fallen in solchen Situationen meist tiefer. Sie vereinsamen dann – ohne Kinder und Freunde – häufiger.
Männer leben kürzer und öfter in prekären Verhältnissen
Männer sind in vielen Bereichen benachteiligt und merken es oft noch nicht einmal. Grund dafür ist vor allem, dass sich Männer ungern ohnmächtig fühlen und keine Schwäche zeigen wollen. Damit verdecken und bemänteln (im wahrsten Sinne des Wortes) sie auch ihre gesundheitlichen Probleme und Benachteiligungen. Sie leben im Schnitt 5 Jahre kürzer, bekommen häufiger Herzerkrankungen, sowie Lungen- und Darmkrebs. Sie leben ungesünder, oft um beruflich leistungsfähiger zu sein. Sie stürzen häufiger in ihren Lebensläufen ab – werden suchtkrank, wohnungslos, psychisch krank oder sogar kriminell.
Ein anderer Grund, dass Männer ihre spezifischen Benachteiligungen nicht wahrnehmen, ist, dass ihnen von Politik und Medien immer wieder erzählt wird, sie seien bevorzugt und hätten Privilegien. Dies trifft so pauschal in keiner Weise zu. Männer stellen sowohl mehr Privilegierte als auch mehr randständig und prekär Lebende. Sie weisen an beiden Enden der Verteilungskurve mehr Betroffene auf, die sogenannte Extremitätsverteilung. Deshalb kann nicht pauschal von einem Patriarchat gesprochen werden, das Männer grundsätzlich begünstigt (siehe auch „Der alte, weiße Mann – Hassobjekt, Privilegienträger oder einfach nur Mensch?!“). Solche Aussagen entsprechen einer einseitigen Mythenbildung ohne empirische Grundlage.
Die höhere Risikobereitschaft der Männer macht ihr Leben gefährlicher
Ein weiterer Aspekt, dass Männer öfter und dramatischer scheitern, ist ihre durchschnittlich höhere Risikobereitschaft. Diese hat sowohl psychobiologische als auch soziokulturelle Ursachen. Die hoch Risikobereiten müssen aufgrund der Tatsache, dass sie bereiter sind, Risiken einzugehen, auch häufiger scheitern. Dies kann eine wichtige Lernerfahrung für sie werden, es sollte aber nicht chronisch werden zu scheitern.
Gerade weil Männer öfter und extremer scheitern, sind sie für die Gesellschaft wichtig. Dies klingt paradox. Auf der einen Seite sind sie in hohem Maße der Motor von Innovationen und auf der anderen Seite brauchen sie bei ihren zahlreichen Krisen Hilfe und Unterstützung. Die Paradoxie der Männerrolle besteht darin, dass Männer ein besonders hohes Risiko gehen, für sich und ihre Familien Wichtiges zu leisten. Sie nehmen es aber auch häufiger auf sich im Berufs- wie im Privatleben mit negativen, langanhaltenden Folgen zu scheitern.
Bedeutung und Verständnis des Scheiterns
Was bedeutet Scheitern überhaupt? Das Wort „scheitern“ geht auf „Scheiter“ zurück, die Pluralform zu „Scheit“, zurück. Scheiter waren abgespaltene, zerkleinerte Stücke Holz. Im 16. Jahrhundert kamen zunächst die Verben zuscheitern und zerscheitern auf, die „in Stücke brechen“ bedeuteten. Ein Scheiterhaufen ist also eine Ansammlung kleiner, zertrümmerter Holzstücke (Scheite). Die heutige Bedeutung von scheitern geht also auf die Vorstellung zurück, dass etwas Großes in kleine Stücke zerfällt.
Ein persönliches Scheitern bedeutet, dass vom Einzelnen gesetzte oder von ihm akzeptierte Ziele nicht erreicht werden, der große Plan sich also in kleine Stücke auflöst. Dies ist im Kern sowohl ein frustrierendes Ereignis als auch eine Stresssituation. Fast alle Menschen haben Angst vor dem Scheitern. Das hängt natürlich mit der Bewertung dieses Phänomens zusammen, da es für viele etwas Endgültiges bedeutet. Manche geraten in der Krise des Scheiterns in Depression oder gar Suizidalität. Dies gilt besonders für Männer nach einer Trennung durch die Partnerin oder einer Kündigung am Arbeitsplatz.
In beiden Fällen ist es der Mangel an Kontrolle über die Ereignisse im Leben, der sich besonders dramatisch auswirken kann. Oft wird das Gescheitert sein mit Unglücklichsein assoziiert. Der Gescheiterte muss automatisch auch dauerhaft unglücklich sein. Ein Trugschluss! Erst im Prozess des Scheiterns können die Betroffenen entdecken, dass es nur etwas Vorübergehendes darstellt und auch gewisse Chancen enthält.
Scheitern bietet Chancen
So paradox es aufs Erste klingt, bietet das Scheitern auf den zweiten Blick viele Chancen. Wie bei jeder Krise steckt hinter dem Tiefpunkt, den man dann erreicht, auch eine Chance. Beim Scheitern besteht die unter anderem darin, dass man seine Normen relativieren und sich neu orientieren und justieren kann. Es kann sich die Erkenntnis Weg bahnen, dass es besser ist, im Berufsleben weniger perfektionistisch und ehrgeizig zu sein. Oder dass man in einer Partnerschaft weniger angepasst und dependent werden möchte.
Scheitern hängt oft mit übertriebenem Ehrgeiz, perfektionistischen Haltungen, unrealistischen Selbsteinschätzungen und mangelnder sozialer Unterstützung zusammen. Alle diese Punkte können durch Selbstreflektion, Beratung und Psychotherapie erfolgreich verändern werden. Darin steckt die besondere Chance des Scheiterns, was zu einem Neuanfang unter besseren Vorzeichen führen kann.
Angst vor Scheitern und Versagen – ein Teil der klassischen Männerrolle?
Männer haben oft eine besondere Angst vor dem Versagen. Dies betrifft ihre Sexualität, ihren beruflichen Erfolg oder auch ihre Leistungen beim Sport und andere Konkurrenzsituationen. Sie zeigen, unabhängig von allen Erziehungsmethoden, ein stärkeres Konkurrenzverhalten, wollen sich als Jungen aneinander messen und rivalisieren mehr. Dies treibt sie einerseits zu Höchstleistungen, lässt sie aber im Falle von Niederlagen auch tief fallen. Schon Jungen sollten das Verlieren genauso lernen wie das Siegen, also die Ambivalenz des Lebens erkennen und als Maxime internalisieren.
Die Angst vor dem Versagen muss im Leben von Männern relativiert und entkatastrophisiert werden, damit sie als innerer Dauerstress nicht überhandnimmt. Bei vielen entwickelt sich eine Angst vor der Angst, das Angstgefühl wird als unmännlich unterdrückt oder mit Alkohol, Drogen oder Verhaltensexzessen betäubt. Männer verstecken und verdrängen ihre Ängste oft. Die Angst vor Frauen (Versagen beim Sex und bei Trennung; siehe auch: „Die Angst der Männer vor Frauen“) und die Angst vorm Scheitern im Beruf sind in der klassischen Rolle des starken, niemals schwachen Mannes tief eingraviert.
Mit Scheitern verbinden sich Versagensgefühle, Katastrophengedanken und Abgründe von Angst. Wichtig ist die Entkatastrophisierung des Denkens und der Ängste. Stark zu sein, ist in Ordnung, es immer sein zu müssen, ist schlimm. Männer sollten und können sich von stresserzeugenden und letztlich unnötigen inneren Zwängen befreien, wenn sie nach einem Tiefpunkt den Willen zur Veränderung entwickeln.
Das Leben moderner, erfolgreicher Männer ist voller Stressoren: Das Stressdreieck
Viele Männer erleben heutzutage einen besonders starken Leistungsdruck: Im Beruf, in der Partnerschaft und im Privatleben zugleich. Mehr als 90% der erwerbstätigen Männer arbeiten in Vollzeit, ihre Partnerinnen erwarten Erfolg, Karriere und Schutz von ihnen und im Haushalt und in der Familie sollen sie wegen „equal care“ oft noch gleiche Zeitanteile leisten. Für ihr verstärktes Engagement in Haus und Familie können sie meist nicht, wie ihre Partnerinnen, auf Teilzeitbeschäftigung wechseln, weil das Familieneinkommen dann zu gering ist, weil sie es nicht wollen oder weil die Partnerin schlichtweg dagegen ist. Für viele Frauen und Mütter ist es nach wie vor ein gerne gewähltes Privileg, in Teilzeit berufstätig und auch stark engagierte Mutter zu sein. Sie sind dann „maternal gatekeeper“ gegenüber einem stärkeren väterlichen Engagement in Erziehung und Familie.
Im Falle einer Scheidung haben sie damit eine bessere Ausgangsbasis, die Erziehung ihrer Kinder zu dominieren. Das Zusammenspiel dieser Lebensbereiche ist für die Männer auf Dauer ein regelrechtes Überforderungsprogramm. Es handelt sich um ein Dreieck aus Stressbereichen, eine Stresstriangulation, bestehend aus den Bereichen Beruf, Partnerschaft und Familie. Die Chronologie des Scheiterns lässt sich an einem Fallbeispiel eines Mannes, der sich am Ende zu einer Psychotherapie entschloss, verdeutlichen.
Paul ist das jüngste von drei Kindern in einer Familie erfolgreicher Akademiker. Seine Mutter war als Lehrerin halbtags tätig, sein Vater, ein Ingenieur, war bis zur Berentung Produktionsleiter in einer Maschinenbaufirma. Paul wurde schon früh instruiert, Leistung zu bringen und dafür auch belohnt. Er fühlte sich nur geliebt, wenn er Erfolge in der Schule und im Sport nach Hause brachte. Nach dem Abitur und einem Studium der Informatik an einer Fachhochschule begann Paul in einer mittelgroßen Firma für Softwareentwicklung zu arbeiten und machte dort schnell Karriere bis zum Teamleiter. Er galt als zuverlässig, ehrgeizig und fleißig. Inzwischen hatte Paul eine attraktive, kluge Frau, die er über Online-Dating kennengelernt hatte, geheiratet. Er sagte sich, dass seine Frau Sandra seine absolute Traumfrau sei. Sie bekamen schnell zwei Kinder. Die Ehefrau Sandra, eine Lehrerin, bliebt zunächst für die Kindererziehung zu Hause. Sobald die Kinder einen Kindergarten besuchen konnten, wurde sie wieder halbtags berufstätig. Pauls Firma geriet durch falsches Management in eine Schieflage und musste schließlich Konkurs anmelden. Er wurde gekündigt. Danach versuchte er sich in Selbstständigkeit. Er nahm für ein kleines Start-Up-Unternehmen einen Kredit in Höhe von 300.000 € auf. Die Familie hatte inzwischen ein Haus am Rand einer Großstadt gekauft und war stark verschuldet. Die Ehe von Paul und Sandra kriselte immer mehr. Pauls Selbstständigkeitsprojekt scheiterte nach 2 Jahren endgültig, weil er übertriebene Umsatzerwartungen hatte. Er musste Konkurs anmelden. Das gemeinsame Haus wurde von seiner Bank gepfändet und versteigert. Paul wurde zunehmend depressiver und resignierte immer mehr. Er unterließ auch neue Jobbewerbungen, weil er sich zu antriebslos fühlte. Mit Sandra gab es immer häufiger Streitigkeiten. Sie waren inzwischen in einer Mietwohnung umgezogen. Schließlich hielt sie seine schlechte Stimmung nicht mehr aus und ließ sich auf eine Affäre mit einem Lehrerkollegen ein. Als Paul dies herausfand, erlitt er einen Nervenzusammenbruch, machte ihr heftige Vorwürfe und beschimpfte sie. Er wurde schließlich wegen akuter Suizidgefahr in eine psychiatrische Klinik aufgenommen. Sandra teilte ihm mit, dass sie die Scheidung wolle und er ausziehen solle. Er sei sowieso ein Versager. Die beiden Kinder würde er nur noch sehen, wenn sie das wolle. Daraufhin verschlechterte sich sein psychischer Zustand weiter. Paul fühlte sich ohnmächtig und hilflos, konnte jedoch mit keinem darüber sprechen. Er litt am meisten unter seinem beruflichen und familiären Versagen und sah keine Chance mehr, sein Leben jemals wieder in den Griff zu bekommen. Sein innerer Druck war enorm und belastete ihn sehr. Die Ärzte in der Klinik rieten ihm dringend zu einer ambulanten Psychotherapie. Durch die therapeutischen Gespräche in der Klinik ging es ihm langsam besser, so dass er sich für die anschließende ambulante Psychotherapie entschloss.
Der größte Druck beim modernen Mann kommt von innen
Es fällt Männern oft schwer, sich gegen äußere Überforderungen abzugrenzen. Aber noch schwerer fällt die Abwehr gegen die eigenen inneren Anforderungen. Der größte Druck, den Männer sich machen, kommt von innen. Übertriebene Leistungsansprüche, Perfektionismus, starre Rollenmuster begünstigen Scheitern. Die Angst vorm Scheitern ist zum großen Teil selbst gemacht. Der Leistungsdruck, der oft in der Kindheit durch übertriebene Forderungen entstanden ist, kommt dann später automatisch von innen. Und die Angst vorm Scheitern kann zum Scheitern selbst führen, wenn man vor Angst wie gelähmt ist oder den perfektionistischen Ansprüchen an sich selbst ständig unterliegt. Die Logik des Scheiterns unter Stress und Risiko bedeutet: Stress und Risikobereitschaft erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.
Erschwerend hinzu kommt das gesellschaftlich negative Klima für Männer, spürbar an Zuschreibungen wie toxische Männlichkeit, Patriarchat usw. Dieses negative Klima, das auch als Misandrie (Verunglimpfung und Hass gegenüber Männern) in Erscheinung tritt, macht es Männern schwierig, sich auf Veränderungsprozesse einzulassen und Hilfe zu holen. Es erhöht die Scham, sich zu öffnen und verstärkt Isolation und Einsamkeit. Als Konsequenz aus Stresstriangulation und misandrischer Gesellschaftsstimmung kann gelten: Ein Mann sollte man das Beste anstreben, sich aber vom eigenen Anspruch nicht quälen lassen. Dies gilt insbesondere für Führungspositionen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Viele Männer scheitern dort an ihren eigenen übertriebenen Ansprüchen.
Lieber frühzeitig am Scheitern riechen als später in die Tiefe fallen
Es ist besser, am Scheitern gerochen zu haben, als immer mehr Ängste davor zu entwickeln und chronisch vor einem möglichen Scheitern in der Zukunft zu leiden. Gerade Menschen mit übertriebenen, perfektionistischen Ansprüchen an sich selbst, sollten diese frühzeitig im Leben revidieren. Scheitern ist kein Spaßthema. Deshalb ist es so wichtig, das Thema – insbesondere bei jungen Mitarbeitern, Männern und Führungskräften – zu entkatastrophisieren. Im Klartext: Einmal gescheitert zu sein, bedeutet nicht, als Mensch wertlos zu sein oder als Person zerstört zu sein.
„Die Kunst des guten Scheiterns“ ist eine Methode, die Folgen des Scheiterns tolerierbar zu machen oder sogar daran zu wachsen. Wenn sich Scheitern schon in vielen Fällen nicht verhindern lässt, ist die nachträgliche Aufarbeitung und Neuorientierung die beste aller Möglichkeiten. Man kann das Scheitern dann vom Ende her denken. Und dies heißt dann auch, vom Ende her für den Neuanfang zu lernen: Sich nicht mehr vor Misserfolgen fürchten, falsche Einstellungen revidieren, Perfektionismus aufgeben als wichtige Lehren aus der Krise.
Scheitern erzeugt Scham, Scham wird abgewehrt
Es erzeugt bei den meisten zunächst Scham, sich mit einer Krise des Scheiterns auseinanderzusetzen. Scheitern ist ein Ereignis, das nach dem inneren Normsystem nicht auftreten sollte. Wenn es dennoch geschieht, wird ein Gefühl des sich Zurückziehens, sich Isolieren-Müssens ausgelöst. Diese Schamreaktion ist bei Männern besonders stark vor dem Hintergrund ihrer perfektionistisch überhöhten Ansprüche an sich selbst. Starke Schamgefühle werden in der Regel abgewehrt und führen nicht selten zu Ersatzgefühlen (Depressivität, Wut, Ärger) oder Ersatzhandlungen (Alkohol- und Drogenkonsum, Risikoverhalten, sozialer Rückzug).
Aber gerade in solchen Situationen ist es eine wichtige Aufgabe und Hilfe, das Scheitern aufzuarbeiten. Das anfängliche Schamgefühl kann so überwunden und in proaktives Veränderungshandeln verändert werden. Erfahrungen mit Scheitern helfen bei gründlicher Aufarbeitung, weiteres Scheitern zu verhindern. Dies gilt für Erfahrungen mit Scheitern in der Arbeitswelt, aber auch im Privatleben, vor allem in Partnerschaftsbeziehungen. Insbesondere wenn ein Mann im Berufsleben und dann in der Partnerschaft scheitert, was oft in dieser Reihenfolge auftritt, braucht es Mut, aber auch Hilfe für einen gelingenden Neuanfang.
Sich selbst helfen und helfen lassen
Zu der Kunst des Umgangs mit Scheitern gehört auch, dass man sich selbst trotz der vorausgegangenen Fehler selbst akzeptiert, gründliche Bilanz zu den Ursachen des Scheiterns macht und dann wieder aufsteht und mit neuen Perspektiven weiter macht. Aus Fehlern zu lernen, ist eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten. Um dazu in der Lage zu sein, sollten eine positive Einstellung zu sich selbst, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstreflektion und Selbstkritik sowie die Fähigkeit zur Neuorientierung und Flexibilität zusammenkommen.
Selbstakzeptanz bedeutet dabei eben nicht Kritiklosigkeit. Man kann sich selbst nur der schärfste Kritiker sein, wenn dahinter eine positive, liebevolle Haltung zu sich selbst (und wichtigen Anderen) steht. Dann kann man sich Fehler verzeihen, ohne dass man in Zukunft ähnliche Fehler wieder produziert. Diese Wiederholungsfallen, etwa dass ein Mann zweimal eine Partnerin auswählt, die ihm nicht guttut, sind ein Beispiel für die Folgen kognitiver Abwehr bei der Fehleranalyse. Wenn man nicht kritisch und gründlich genug mit sich selbst ist, ist man verdammt, dieselben Fehler immer wieder zu wiederholen. Um die eigenen Muster, die ins Scheitern führen tiefer erkennen zu können, ist ein Blick von draußen, wie er in einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie stattfindet, sehr hilfreich.
Die Kunst der inneren Gelassenheit
Um Erfahrungen mit Scheitern zu bewältigen oder Scheitern im Vorfeld zu verhindern, ist innere Gelassenheit eine wichtige Größe. Diese kann durch philosophisch oder psychotherapeutisch beschriebene Haltungen, wie vor allem der antiken Stoa, aber auch der buddhistischen Meditation, erreicht werden. Die Kunst der inneren Gelassenheit hilft dabei, Krisen zu überstehen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterschieden, relevante Perspektiven zu entwickeln und den unruhigen Geist zu beruhigen.
Die Schule der Stoiker vermittelt durch Einstellungen, Haltungen und Sichtweisen die Möglichkeit, ein ruhiges, balanciertes Leben, frei von emotionalen Übererregungen zu führen. Üblicherweise engagieren sich Männer eher in stoischen Gedanken als Frauen. Die Philosophie der Stoa kann gerade ihnen helfen, Krisen zu bewältigen, mit starken negativen Emotionen zurechtzukommen und neue Perspektiven zu finden. Eine stoische Gelassenheit bedeutet nicht, gleichgültig und gefühllos zu sein, sondern eine Balance zwischen Gedanken und Gefühlen erreicht zu haben, so dass Ängste, Furchtsamkeiten und andere problematische Emotionen bewältigt werden können.
Mögliche Konsequenzen des Scheiterns
Scheitern hinterlässt Spuren. Druck erzeugt psychologisch akuten Stress, eine dauernde Beanspruchung erzeugt chronischen Stress. Dieser ist eng verbunden mit der Auslösung psychischer Probleme: Depression, Suizidgedanken, Substanzkonsum, Sucht, Schlaflosigkeit, Sexualprobleme. Es ist daher besonders wichtig, dass Männer in einer Krise des Scheiterns nicht vereinsamen und sich sozial isolieren.
Insgesamt besteht die Gefahr der Vereinsamung, des Rückzugs, der Steigerung der Angst vor weiterem Scheitern. Angst spielt bei chronischem Stress eine große Rolle. Die beiden Phänomene verstärken sich gegenseitig. Angst vorm Versagen ist für vom Scheitern Betroffene naheliegend und nachvollziehbar. Unter normalen Bedingungen kann diese Angst sogar schützen und motivieren, ein Versagen durch Risikoreduktion zu vermeiden. Aber in der Krise des Scheiterns führt übertriebene Angst in Depression, Hoffnungslosigkeit und Apathie. Unter chronischen Stressbedingungen wird die Angst zu einem weiteren Stressor.
Veränderung des Verhaltens, das zum Scheitern führt
In der Krisensituation des Scheiterns können verschiedene Verhaltensweisen neu erprobt und implementiert werden, die aus der Krise führen und künftige vermeiden. Das ist die Chance der Krise.
Für die Aktivierung von Veränderungen in Krisensituationen sind vor allem die intrapsychischen Kognitionen wichtig. Statt Selbstabwertung und Resignation soll neue Hoffnung geschöpft und Energie gewonnen werden. Frauen kennen dafür die Regel:
Hinfallen, wieder aufstehen, Krönchen zurechtrücken, weitermachen! Diese Regel sollten auch Männer internalisieren. Wenn sie die Vorstellung mit dem Krönchen nicht akzeptieren können, passt auch ein Bild aus dem Fußballsport: Stürmen, vom Leben gefoult werden, stolpern, hinfallen, am Boden liegen, wieder aufstehen, sich schütteln, weiter machen!
Wichtig bei beiden Metaphern ist natürlich der kognitive Veränderungsprozess in der Zeit zwischen dem Hinfallen und dem Wiederaufstehen. Genau das ist die Phase, in der Einstellungen und Haltungen („mind set“) in die Änderungsphase treten sollen: Weniger Perfektionismus, mehr Selbstfürsorge, mehr Flexibilität, mehr Gelassenheit.
Um die Veränderung und Umkehr des Verhaltens anzuregen, können auch paradoxe Strategien ins Spiel kommen.
Die Verschreibung dessen, was die Person fürchtet bzw. vermeidet. Sie soll sich auf die Möglichkeit neuerlichen Scheiterns einlassen, um es dadurch weniger wahrscheinlich zu machen. Im besten Fall sogar so achtsam und klug handeln, dass kein Scheitern mehr eintritt. Das Konzept hinter dem „programmierten Scheitern“ umfasst, Achtsamkeit für die eigenen Fehlverhaltensweisen, die zum Scheitern führen, zu entwickeln. Durch eine fehlerfreundliche Haltung können Fehler eher vorhergesehen und schließlich auch vermieden werden.
Hilfen gegen Scheitern und für gelingendes Leben
Das Scheitern unter Hyperstress ist „psycho-logisch“, d.h. die chronisch gestresste Person navigiert durch ihr fehlerhafteres und riskanteres Verhalten unbewusst auf dieses Ergebnis hin. Bei Männern ist das Scheitern unter Risikoverhalten, Vereinsamung und Hyperstress häufiger als bei Frauen. In der Krise können Beratung, Coaching und Therapie helfen, Scheitern zu vermeiden oder im Falle des Eintretens die Folgen zu bewältigen und eine Neuorientierung zu erreichen. Auch Männergruppen können im Hilfeprozess wichtig sein. Männer akzeptieren erfreulicherweise zunehmend Psychotherapie. Aber auch Beratung und Persönlichkeitscoaching sind sinnvolle Angebote.
Informelle Gespräche, nicht fallen lassen, Hilfen und Kontakte aufzeigen
Die Chance der kognitiven Umbewertung und Neuorientierung besteht immer, Scheitern hat Ursachen, interne wie externe, bietet aber auch eine Chance auf einen Wendepunkt. Wichtig für scheiternde Männer ist, dass sie in der Krise nicht alleine sind und dass sie eine Chance auf soziale Übung und Rollentransformation haben. Rollentransformation bedeutet, dass sie die ungünstigen und selbstschädigenden Anteile ihres männlichen Rollenverhaltens in gesündere und funktionalere Verhaltensweisen verändern.
Was Männer in und nach der Krisensituation brauchen
In der Krisensituation des Scheiterns dürfen Männer nicht vereinsamen, sie brauchen passgenaue Angebote. Dies können neben einer ambulanten oder stationären Psychotherapie auch Online-Beratungsangebote sein. Damit wird das Risiko für negative psychische Folgen (Depression, Suizid, Sucht) gesenkt. Auf der anderen Seite sollen positive psychologischen Ziele verstärkt entwickelt werden. Dazu gehören Selbstfürsorge, Selbstakzeptanz, Fehlerfreundlichkeit, Stressreduktion, Emotionsregulation, Wieder-Aufsteh-Mentalität und Resilienz. Sie sollen eine Rollenkonterkarierung, mehr Rollenflexibilität, mehr Verhaltensfreiräume und mehr Öffnung eingeengter Verhaltensspielräume erreichen. Wer sein Scheitern akzeptiert und reflektiert hat und Neuorientierung gefunden hat, ist gut gerüstet für den weiteren Lebensweg, egal ob er 25 oder 55 Jahre alt ist.
Vielen Dank für diesen Beitrag! Es ist sehr erleichternd zu wissen, dass man als Mann in verschiedenen Lebenssituationen Hilfe bekommen kann und sich diese nehmen darf. Die Rolle der Männer, die die Gesellschaft ihnen zuweist, empfinde ich persönlich oft als erdrückend. Da sind Hilfestellungen und Ratschläge sehr willkommen und ich würde mir wünschen, dass es mehr Männerkreise gibt, in denen man(n) (Zusammen)Halt finden kann. Was ich nämlich an Frauen sehr bewundere ist ihre Sozial- und Kommunikationsfähigkeit. Mein Eindruck ist, dass nach Krisen oder Trennungen häufig die Männer zwar mehr Geld haben, mehr Zufriedenheit und Glück nehme ich aber bei Frauen wahr.
Hallo Marco,
Da kann ich Ihnen nur Recht geben. Männer sollten besser zusammenhalten, mehr miteinander übereinander reden und sich in Krisen enger beistehen. Ihnen alles Gute. Beste Grüße Michael Klein