UA-176845053-2 Konflikte in Beziehungen lösen – Kompetenztraining für Partner

Januar 14

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Konflikte in Beziehungen lösen – Kompetenztraining für Partner

Die Stabilität von Partnerschaften hat in den letzten Jahrzehnten spürbar nachgelassen, was stark mit Defiziten im Umgang mit Konflikten in Beziehungen zusammenhängt. Die Scheidungsquote liegt inzwischen in Deutschland bei über 33% und erreicht in den Großstädten 50%. Diese Veränderung partnerschaftlicher Muster bringt Vor- und Nachteile mit sich. Sind Kinder im Umfeld vorhanden, entwickeln sich durch Trennung und Scheidung der Eltern oft langanhaltende Probleme und Spuren, die sich bei den Kindern über Jahre und Jahrzehnte verfestigen können.

Es kann sein, dass diese chronische Ängste vor Verlassenwerden und Probleme mit Einsamkeit entwickeln. Ein ungünstiges Konfliktverhalten – wie etwa verbales Dominieren, Nicht-Ausreden-Lassen oder Rechthaberei - führt zu dauerhaften Streitigkeiten und oft auch Trennungen. Häufig sind die Konfliktverhaltensweisen geschlechtsspezifisch: Während Frauen oft verbal dominant sind, ziehen sich Männer oft zurück oder verlieren ihre Selbstkontrolle. 

Die Mehrzahl der Männer und Frauen streben dennoch dauerhafte Beziehungen an. Was geht also schief zwischen den Geschlechtern, wenn eine Partnerbeziehung erst mal besteht? Die Frühphase von Partnerbeziehungen ist von starkem Neurotransmitter- und Hormoneinflüssen gekennzeichnet (Endorphine, Oxytozin, Dopamin), die einerseits für starke Emotionen (romantische Liebe, Begehren), andererseits für Wahrnehmungsveränderungen (weniger differenzierte Wahrnehmung, weniger kritisches Denken) sorgen. In dieser Phase dominieren zwischengeschlechtliche Leidenschaft und Begierde.

Nach der Verliebtheit kommt der Alltag

Wenn diese biologischen Effekte der Verliebtheit im Gehirn nachlassen – meist ab ca. 6 Monaten nach Beginn der Beziehung – verändern sich emotionale Verfassung und Wahrnehmung des Verhaltens des Partners. Die Wahrnehmung des Partners wird realistischer und damit auch kritischer. Die nun einsetzende Phase kann auch als das Alltagsplateau der Partnerschaft beschrieben werden und spielt für die dauerhafte Zufriedenheit und das Beziehungsglück eine entscheidende Rolle. Ab dieser Phase ist die Beziehungspflege ein wichtiger Bestandteil jeder Partnerschaft, um Zerfall, Gleichgültigkeit und Negativität zu vermeiden.

Von höchster Relevanz ab diesem Zeitpunkt ist der Umgang mit Konflikten. Solche Konflikte im Alltag konstruktiv zu lösen, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die beiden Partner. Oft entwickeln sich geschlechtsspezifische Konfliktverhaltensweisen. Diese haben Bezüge zur jeweils eigenen Kindheit und Sozialisation.

Und weder Männer noch Frauen lernen normalerweise in Kindheit und Jugend, Konflikte zu lösen, sich konstruktiv zu streiten und sich dabei mit Respekt und Empathie zu begegnen. Je mehr Emotionen in einen Konflikt einfließen, desto schwerer wird es. Elternhaus und Schule vermitteln in der Regel nicht das, was wichtig ist, um mit Konflikten angemessen umzugehen.

Der Ansatz des fairen Streitens und der gewaltfreien Kommunikation – begründet in den 1970-er Jahren von Marshal B. Rosenberg - ist eine wirksame, aber immer noch wenig eingeübte Strategie, um mit Konflikten adäquat umzugehen.

Geschlechtsspezifisches Konfliktverhalten erkennen und bewältigen

Sowohl Frauen als auch Männer praktizieren oft ungünstiges, schädliches Konfliktverhalten. Im Rahmen von Forderungs-Rückzugs-Spiralen, die als wesentliche Trennungsprädiktoren gelten, stellen vor allem Frauen die Forderungen, Männer ziehen sich eher zurück, was dann wiederum umso stärkere Forderungen der Frauen nach sich zieht. Es entwickelt sich eine Spirale nach unten, in der der eine immer fordernder und offensiver, der andere immer verschlossener und passiver wird.

Hier spielen zusätzlich auch unterschiedliche Nähe- und Distanzbedürfnisse von Männern und Frauen eine Rolle. In einigen Studien zeigte sich, dass Männer sich bei Konflikten mit der Partnerin mangels Verhaltensalternativen schneller überfordert und emotional überflutet fühlen, v.a. wenn dies bereits bei ihren Vätern so der Fall war. Viele Frauen wiederum kannten das männliche Rückzugsverhalten bereits von ihren Vätern, was einerseits als latentes Partnerwahlkriterium fungieren und andererseits im späteren Verlauf der Beziehung den aktuellen Partnerkonflikt in triggernder Weise verschärfen kann. Diese Frauen interpretierten das Rückzugsverhalten des Partners dann als Desinteresse und Teilnahmslosigkeit, während er selbst sich aus Ohnmachtsgefühl oder zur Vermeidung physischer Gewalt zurückzieht. 

Ungünstige Konfliktverhaltensweisen setzen sich über Generationen fort

Der gesamte Ablauf ist als transgenerational weitergegebene Anfälligkeit für unpassendes Konfliktlösungsverhalten beider Partner anzusehen. In solchen Familientraditionen kommt es auch zu höheren Scheidungsquoten, die sich auch transgenerational auswirken. Es hat sich eine Negativdynamik, was Konflikt- und Interaktionsverhalten angeht, etabliert, die vielen Betroffenen noch nicht einmal bewusst ist. Ein niedriges Qualitäts- und Funktionsniveau der Partnerbeziehungen der Eltern hat sich in der Folgegeneration immer wieder als Risikofaktor für Trennung und Scheidung erwiesen.

Auch Einschüchterungen, Schuldzuweisungen und negative Zuschreibungen gehören zu den häufigen dysfunktionalen Konfliktstrategien in Beziehungen, die oft in der eigenen Herkunftsfamilie gelernt wurden, ohne dass ihre Schädlichkeit erkannt wurde. Männer erweisen sich oft in verbalen Auseinandersetzungen als unterlegen, vor allem weil sie nicht so stark emotionalisiert auftreten. Das kann ihnen ein Ohnmachtsgefühl vermitteln, mit dem sie auf Dauer nicht Zufriedenheit erreichen.

Wichtige Rolle der Herkunftsfamilie für die eigene Partnerschaft

Die negativen Entwicklungen in Partnerschaften verstärken sich oft mit der Häufung der konflikthaften Paarbeziehungen in den Herkunftsfamilien noch, da sich diese gegenseitig unbewusst beeinflussen und die Funktionsfähigkeit der aktuellen Familiensysteme nachhaltig und transgenerational schwächen. "Muttersöhne" und „Vatertöchter" mit übereng-verstrickter Bindung an den gegengeschlechtlichen Elternteil haben eher Probleme in ihren Partnerschaften, v.a. wenn die Eltern ihrerseits konflikthafte Paarbeziehungen hatten oder in der Folge deshalb geschieden wurden. Eines der wichtigsten Kriterien zur Vorhersage von Partnerschaftsglück in Beziehungen ist die Kompatabilität („Passung“) der Herkunftsfamilien. Wenn Kinder in unsicheren Bindungen zu ihren Müttern (und Vätern) aufgewachsen sind – was in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat – macht sie das für übertriebene Bindungsanforderungen an ihren Partner im Erwachsenenalter anfällig. 

Können Eltern ihre Bedürfnisse in ihren Paarbeziehungen nicht befriedigen, neigen sie dazu, sich enger an ihre Kinder zu binden und diese zu psychischen Ersatzpartnern zu machen (Parentifizierung). Die den Kindern zugewiesenen partnerschaftlichen Aufgaben können von emotionaler Zuwendung, Kontrolle über das Elternverhalten bis hin zu Erledigung von Alltagsaufgaben reichen. Damit werden Kinder jedoch zu Rivalen ihres gegengeschlechtlichen Elternteils und konkurrieren mit diesem latent um die Partnerrolle, was die elterliche Beziehung weiter beeinträchtigt. Mit den altersunangemessenen Aufgaben im Rahmen der Parentifizierung sind Kinder jedoch auch schnell überfordert. 

Das Erbe ungünstigen Partnerverhaltens belastet oft die nächste Generation

Da sich betroffene Kinder oft lebenslang nicht aus solchen verstrickten Bindungen an den gegengeschlechtlichen Elternteil lösen können, kommt es später leicht zu realen, aber auch unbewussten Konflikten zwischen Schwiegerkind und Schwiegereltern einerseits und den Partnern andererseits. Damit wird das dysfunktionale Modell der Elternbeziehung als psychosoziales „Erbe“ auf die Kinder übertragen, was bei diesen zu eingeschränkter Funktionsfähigkeit ihrer Paarbeziehungen beiträgt. 

Distanzierte Paarbeziehungen gehen hier einher mit eng verstrickten Beziehungen zwischen Müttern und Kindern sowie konflikthaften Beziehungen zwischen Vätern und Söhnen, die in Konkurrenz um die Mutter obsiegen wollen. Söhne können sich in dieser Familie nicht ablösen, um für die eigene Paarbeziehung frei zu sein. Die enge Beziehung zu den Söhnen führt bei den Müttern zur Ablehnung der Schwiegertöchter. Die Paarbeziehungen sind deshalb zu wenig gegenüber der Elterngeneration abgegrenzt und oft labil sowie schnell störungsanfällig.

Das Gegenteil des Erlebten zu tun, ist keine Lösung

Viele Jugendliche und junge Erwachsene aus hoch konflikthaften Herkunftsfamilien glauben, der Hypothek des verinnerlichten Elternverhaltens entkommen zu können, indem sie genau das nicht nachmachen, was die Eltern vorgemacht haben, sondern stets auf das gegenteilige Verhalten setzen. Sie entwickeln dann ein rigides Verhalten, was von allem das Gegenteil des Erlebten und Gelernten bedeutet. Dieses als Komplementärprogramm der Herkunftsfamilie zu verstehende Verhalten bedeutet im Kern aber die Fixierung auf ein enges, wenig flexibles Verhalten, weil in allem das Gegenteil des Gelernten getan werden muss. Die 68-er Bewegung, die ursprünglich glaubte, die problematischen Traditionen ihrer Eltern zu überwinden, hat sich meist in solchen komplementären Mustern verfangen, die am Ende ein ebenso hohes Maß an Rigidität und Dogmatismus zeigten.

Daher ist es zur Überwindung von Negativbelastungen der Herkunftsfamilie wichtig, dritte Wege zu finden und sich flexibel und grenzüberschreitend zu entwickeln. Waren die Eltern zu autoritär und einschränkend, und hat sich eine Laissez-faire-Haltung bei den Nachkommen der nächsten Generation ebenfalls als nicht zielführend und konstruktiv erwiesen, so kann erst eine wahrhaft flexible Strategie, die gesunde Autorität und Freiheit in Verantwortung kombiniert, zu einem gelingenden Lebensbewältigungsmuster führen. Dies wird sich dann positiv auf Partnerschaft und Kinder auswirken.

Lösungen und Hilfen

Da Partnerschaftlichkeit in der Gesellschaft und ihren Bildungsinstitutionen nicht systematisch reflektiert und trainiert wird, stoßen viele Menschen in ihren Beziehungen auf Probleme, die sie miteinander im Umgang haben, und die sich über längere Zeit verstärken und aufschaukeln. Die romantische Liebe führt uns in Beziehungen, lässt uns aber dann nach kurzer Zeit mit dem Alltag einer Beziehung im Stich. Partnerschaften scheitern öfter, als dies sein müsste, weil die Kompetenzen im Bereich Empathie und Kommunikation nicht ausreichend entwickelt werden konnten.

Männer sollten in der Lage sein, sich in Beziehungen verbal angemessen zu behaupten, indem sie lernen, über ihre Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen, sich insofern wichtig zu nehmen, empathisch und autonom zu sein, aber auch Zumutungen und Grenzüberschreitungen zu erkennen und sich dagegen abzugrenzen. Voraussetzung für das Sprechen über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle ist die Selbstwahrnehmung dieser Prozesse, die Männer oft unterdrückt und nicht genügend eingeübt haben.

Im weiteren Verlauf ist dann vor allem das Zeigen von Kompromissfähigkeit gefragt, sowohl bei sich selbst als auch beim Partner. Zufriedene Partnerschaften kennen keine Verlierer, sondern nur Gewinner. Und dies kommt, wenn beide dem anderen mehr geben als sie subjektiv verlieren. 

Familie und Schule sollten Orte sein, an denen Kinder humane Werte lernen und an denen sie gelingende Beziehung erfahren und einüben können. Da dies über weite Bereiche nicht der Fall ist, haben sich Tertiärbereiche herausgebildet, an denen nachträglich und aufwändig Partnerfähigkeiten eingeübt werden. Dazu zählen Paartherapie, Psychotherapie und zunehmend auch gewerbliche Online-Beratungen.

Einerseits ist es vorteilhaft, dass es diese Angebote gibt, andererseits ist ihr Erfolg ein Zeichen für die Defizite in Erziehung, Gesundheitsförderung und Prävention. Die beste Prävention für Kinder ist es, von ihren Eltern zu lernen, wie Beziehung und Konfliktlösungen funktionieren. 



Tags

Beziehungen, Herkunftsfamilie, Kompetenztraining, Konflikte, Liebe, Parentifizierung, Partnerschaft, transgenerational


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