Partnerbeziehungen führen zu den intensivsten zwischenmenschlichen Konflikten, vor allem wenn einer der Partner sich in einer toxischen Beziehung gefangen erlebt. Dies ist der Fall, wenn der andere Partner besonders manipulativ, ohne Empathie und mit starkem Narzissmus agiert. In der heutigen Gesellschaft verlaufen Partnerschaften immer öfter problematisch. Trennungen und Scheidungen sind häufiger als je zuvor. Partnerschaften mutieren immer mehr zu Lebensabschnittsbeziehungen. In Großstädten werden inzwischen mehr als 40% der Ehen geschieden. Dennoch verbleiben viele Menschen längerfristig in einer unglücklichen Beziehung oder gehen immer wieder in Beziehungen ein, die sich als unglücklich erweisen.
Männer trennen sich heutzutage seltener als Frauen aus unglücklichen Beziehungen. Sie fühlen sich oft Frau und Familie tief verpflichtet, haben Angst vor einer Trennung oder gehen aus Angst erst gar nicht feste Beziehungen ein (zum Thema „Angst vor Frauen“ siehe Die Angst der Männer vor Frauen). Viele Männer fragen sich, ob sie in einer toxischen Beziehung gefangen sind. Ich erlebe das in meiner Psychotherapiepraxis immer wieder. Sie berichten von nahezu täglichen destruktiven Konflikten, Dauerstress und dem Gefühl, immer wieder ungerecht und unzulänglich behandelt zu werden.
Selten wird auf die Rolle von Männern in toxischen Beziehungen geachtet. Viel häufiger werden Männer als toxisch stigmatisiert. Die Situation, mit einer toxischen Partnerin zusammenzuleben, von der Hunderttausende von Männern betroffen sind, gehört zu den Tabus in Medien und Gesellschaft. Deshalb beschäftigt sich der folgende Beitrag mit genau dieser Situation. Es gibt leider keine genauen Zahlen zur Problematik toxischer Partnerbeziehungen. Die Zahl der Betroffenen dürfte nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 15% und 30% liegen. Sowohl Männer als auch Frauen können betroffen sein. Der Weg zur Befreiung in oder aus einer solchen Beziehung ist oft nicht einfach, zumal wenn noch starke Liebesgefühle oder übermäßige Abhängigkeit im Spiel sind.
Konflikte gehören zu Partnerbeziehungen
Wenn Menschen sich zu dauerhaftem Zusammenleben in einer Partnerschaft entschieden haben, beginnt üblicherweise nach einer Phase des Verliebtseins der Beziehungsalltag. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Machtverhältnisse und Interaktionsmuster deutlich werden. Die alltäglichen Abläufe gut und für beide Partner zufriedenstellend zu regulieren, ist eine hohe Kunst, die weder in der Schule noch in den meisten Herkunftsfamilien in passendem Maß gelehrt wird, obwohl es für die Zufriedenheit im Alltag von größter Bedeutung ist. Gerade das Erlernen guter Konfliktlösungsmethoden (wie z.B. im Rahmen der gewaltfreien Kommunikation), die für beide Partner fair sind und nicht immer einen als Verlierer hinterlassen, ist ein wichtiger Baustein für Alltagszufriedenheit und langfristiges Glücklichsein (vgl. Konflikte in Beziehungen lösen – Kompetenztraining für Partner).
Eine toxische Beziehung bedeutet Dauerstress
In Beziehungen, in denen ein Partner dauerhaft respektlos und manipulativ behandelt wird, kommt es zu keinen Erfahrungen von gelingender Konfliktbewältigung (vgl. Chronische Konflikte mit der Partnerin? (Männerrat #3)), sondern ein Partner dominiert durch seine Manipulationen, während der andere immer wieder erniedrigt und gedemütigt wird. Solche Partnerschaften werden als toxische Beziehungen bezeichnet. Oft weist der manipulierende Teil die Merkmale einer Persönlichkeitsstörung auf. Dazu zählen vor allem die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS), die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) und die antisoziale Persönlichkeitsstörung (APS). Zu den Grundmerkmalen dieser Persönlichkeitsstörungen zählen (a) mangelnde Empathie für andere, (b) hohe Ansprüche an andere, (c) keine Einsicht in die eigenen Probleme und Defizite und (d) hohes Ausmaß an manipulativen Verhaltensweisen. In einer solchen Beziehung zu leben, bedeutet für den betroffenen Partner eine hohe Anforderung zur Alltagsbewältigung auf der Basis eines hohen dauerhaften Stressniveaus. Natürlich kann auch die Konstellation auftreten, dass beide Partner eine Persönlichkeitsstörung aufweisen.
Toxische Beziehung: Was sind die Merkmale?
Toxische Beziehungen sind wie ein langsames Gift, sie bauen sich oft unmerklich auf und hinterlassen auf die lange Sicht eine Spur von Dauerstress und emotionalem Chaos. Am Ende fühlt sich der Partner dann in einer toxischen Beziehung gefangen und schafft weder eine Verbesserung noch eine Ablösung. Ein häufiges Anzeichen einer toxischen Beziehung ist ständige Kritik und Entwertung. Das allein ist aber nicht ausschlaggebend, denn auch Respektlosigkeit des Partners oder Schuldzuweisungen gehören zum toxischen Verhalten. Kurzum: Der Partner tut nicht gut und macht dauerhaft psychisch oder körperlich krank. Das ist aber noch nicht alles.
Eine toxische Partnerbeziehung ist durch eine Vielzahl von Merkmalen gekennzeichnet, die das emotionale und geistige Wohlbefinden – und damit die Gesundheit – beeinträchtigen können. Nicht jede Beziehung mit vielen Konflikten und Streitereien muss automatisch eine toxische Beziehung sein. Die Toxizität einer Beziehung ist im Grunde leicht zu erkennen, wenn man darauf achtet, wie oft man auf der einen Seite Wohlbefinden und Freude und auf der anderen Seite negative Stimmung, Groll oder Ärger auf den Partner empfindet. Ein starkes Ungleichgewicht zu Lasten von Groll und Ärger ist ein Hinweis auf eine mögliche Toxizität der Partnerbeziehung.
Toxische Beziehung: Die wichtigsten Merkmale sind:
Merkmal 1:
Unangemessene Einschränkungen und Kontrolle: Sie werden in übermäßig vielen Bereichen ihres Lebens eingeschränkt und kontrolliert. Der sich toxisch verhaltende Partner schränkt ihr Leben in unangemessener Weise an. Ihr Partner übernimmt die Kontrolle über wichtige Entscheidungen in Ihrem Leben, vor allem wenn es um soziale Kontakte oder finanzielle Angelegenheiten geht. Das hat alles nichts mit echter Liebe zu tun. Diese bedeutet nicht Verlust von Selbstständigkeit und Freiheit, sondern uneigennützige Fürsorge, freiwillige Hingabe, und faire Zweisamkeit.
Merkmal 2:
Krankhafte Eifersucht und übergriffige Besitzansprüche: Aus der Haltung, dass der Partner kontrolliert und entmündigt werden muss, entspringen auch übertriebene Eifersucht und übergriffige Besitzansprüche. Dadurch entsteht noch mehr Stress in der Beziehung. Es wird kontinuierlich ein Übermaß an grenzüberschreitender Kontrolle vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass man das Recht dazu hat, ausgeübt. Der Partner wird als unfähig, ausreichend für sich selbst zu sorgen und sich selbst zu steuern, angesehen.
Merkmal 3:
Manipulationstechniken: Toxische Personen verwenden manipulative Techniken im Übermaß. Das Besondere daran ist, dass die meisten Manipulationen im entscheidenden Moment nicht auffallen oder sogar noch als Wohltaten verkauft werden. Diese subtilen Methoden der Beeinflussung zielen darauf ab, das Gegenüber abhängig zu machen und in Angst zu versetzen. Manipulationstechniken sind Lügen, Verzerrungen, Beschuldigungen, Übertreibungen, Informationsunterdrückung und emotionale Erpressung.
Merkmal 4:
Mangelnde reale Unterstützung: Der Partner in einer toxischen Beziehung bekommt keine wirksame Unterstützung für sein Wohlbefinden. Er muss immer wieder geben, erhält aber nichts zurück, was ihm guttut. Scheinbare Zuwendung entpuppt sich bei kritischer Überprüfung als Surrogat, also Ersatz- oder Scheinlösung. Toxische Beziehungen zeichnen sich durch einen Mangel an wirksamer emotionaler Unterstützung aus. Der toxische Partner ist möglicherweise nicht einfühlsam, nicht zu tiefer Liebe fähig und interessiert sich nicht für die Bedürfnisse und Anliegen des anderen. Der toxische Partner selbst erwartet jedoch selbst jederzeit Unterstützung.
Merkmal 5:
Angriff auf das Selbstwertgefühl: Toxische Beziehungen können das Selbstwertgefühl des betroffenen Partners erheblich beeinträchtigen. Der toxische Partner fühlt sich berechtigt, ständig zu kritisieren, abzuwerten oder zu ersuchen, das Selbstvertrauen zu untergraben.
Merkmal 6:
Übermäßige Kontrolle und Dominanz: Die Ausübung von Kontrolle und Herrschaft ist ein übliches Machtinstrument in Beziehungen. Die Machtanteile in der Beziehung sind klar zugunsten des manipulierenden Partners aufgeteilt. Dieser übt ein Übermaß an Macht und Kontrolle aus (vgl. Dominante Partnerin: Meine Partnerin will alles bestimmen! (Männerrat #2)). Ein toxischer Partner versucht oft, den anderen zu isolieren, sozialen Rückzug zu erzwingen oder den Zugang zu den alten sozialen Netzwerken (Freunden, Kollegen) zu beschränken. Solch kontrollierendes Verhalten ist ein Zeichen für Machtmissbrauch.
Merkmal 7:
Ständige Konflikte: Toxische Beziehungen sind meist von chronischen Konflikten und Auseinandersetzungen geprägt. Diese Konflikte drehen sich immer wieder um dieselben Themen (sich unverstanden und ungeliebt fühlen, nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, Unzulänglichkeiten des Partners usw.). Die Konfliktbearbeitung ist von einseitigen Schuldzuweisungen geprägt. Es kommt nicht zu konstruktiven Lösungen, sondern einseitigen Schuldzuweisungen und emotionalen Eskalationen.
Merkmal 8:
Fehlender Respekt: Respekt ist von grundlegender Bedeutung für eine gesunde, positive Beziehung. Partnerschaftlicher Respekt bedeutet gegenseitige Wertschätzung und Achtung, gerade in schwierigen Situationen von Konflikt und Dissens. In toxischen Beziehungen herrscht ein chronischer Mangel an Respekt gegenüber den Wünschen, Grenzen und Gefühlen des anderen.
Merkmal 9:
Gefühl der Hilflosigkeit: Ein Partner kann sich in einer toxischen Beziehung oft hilflos und unfähig fühlen, sich aus der manipulativen negativen Dynamik zu befreien. Er leidet unter dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und sieht sich in einer aussichtslosen Situation, ohne über die entscheidende Energie zu verfügen, sich zu befreien. Dadurch werden positive Veränderungen verhindert. Im Gegenteil können Depression und Antriebsarmut entstehen. Zur Befreiung aus dieser Situation werden abschließend Hinweise gegeben.
Merkmal 10:
Emotionale und psychische Gewalt: In toxischen Beziehungen wird emotionale und psychische Gewalt gegen den Partner ausgeübt. Entsprechende Gewaltformen sind in den vorgenannten Punkten 1 bis 9 dargestellt. Der betroffene, gewalterleidende Partner ist in der Regel psychisch gesünder, erleidet aber aufgrund des chronischen Stresses Einbußen in seiner inneren Balance. Oft denkt der Partner, dass er mit genügend Liebe und Zuwendung die Probleme in der Beziehung noch wird lösen können. Dies erweist sich immer wieder als Illusion und Selbstbetrug. Bis sich diese gesundheitsförderliche Erkenntnis durchsetzt, können Jahre vergehen.
Dies muss aber nicht so bleiben. Dazu im Folgenden hilfreiche Hinweise. In einigen Fällen kann es auch zur Ausübung physischer oder sexueller Gewalt kommen. Dann sollte die Beziehung durch Distanzierung oder Trennung spätestens unterbrochen werden. Etwa ein Drittel aller Fälle von häuslicher Gewalt wird an Männern ausgeübt.
Psychische Gewalt als Kernproblem
Es geht bei dem hier beschriebenen Phänomen einer toxischen Beziehung primär um Partnerschaften mit einem hohen Ausmaß an psychischer und emotionaler Gewalt. Auf physische oder sexuelle Gewalt wird hier weniger Bezug genommen, obwohl diese Gewaltformen im Kontext toxischer Beziehungen ebenfalls von Bedeutung sind (Hilfe für Männer unter https://www.maennerhilfetelefon.de/). Emotionale und psychische Gewalt in Partnerschaften sind immer noch in besonderer Weise tabuisiert. Deshalb sind Prävention und Bewältigung dieser Gewaltformen von besonderer Bedeutung für gelingende Partnerschaften und Gleichgewicht in der Gesellschaft als Ganzes.
Toxische Beziehung: Hinweise zum Umgang mit ihr
Das Ziel besteht zunächst darin, die Toxizität der Beziehung in Bezug auf das eigene Wohlergehen zu erkennen. Dann können Schritte zur Befreiung folgen. Überprüfen Sie zuerst gründlich und gewissenhaft, welche der zehn genannten Punkte auf Ihre Situation zutreffen. Am besten machen Sie sich schriftliche Notizen dazu. Seien Sie offen sich selbst gegenüber und furchtlos. Nicht in jedem Fall muss die Beziehung aussichtslos sein. Aber machen Sie sich klar: Ihre Bedürfnisse sind wichtig und dürfen nicht ignoriert werden. Wenn Sie dauerhaft einer toxischen Beziehung exponiert sind, ist Ihre psychische Gesundheit gefährdet. Wenn Sie in einer toxischen Beziehung leben, ist es wichtig, Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung zu ergreifen. Im Folgenden die wichtigsten Hinweise dazu:
Hinweis 1:
Haben Sie den Mut, den Zustand ihrer Partnerbeziehung kritisch und furchtlos zu reflektieren. Dies ist der Anfang vom Ende Ihres persönlichen Unglücks. Wenn Sie erkennen, dass Ihre Beziehung überwiegend schädlich für Ihr Wohlbefinden und gesundheitsgefährdend für Sie ist, erwägen Sie weitere Schritte. Ziehen Sie dabei nach Möglichkeit eine Vertrauensperson oder professionelle Hilfe (Beratung, Psychotherapie) hinzu.
Hinweis 2:
Die Tugenden der Stoiker können Ihnen helfen, einen Weg für sich zu finden. Diese sind in erster Linie: Mut, Disziplin, Weisheit und Gerechtigkeit. Es geht dabei auch um eine gerechte, mutige und von Klugheit und Respekt getragene Beziehung zu sich selbst. Wenn Sie nur noch die Angst vor den Folgen einer Trennung oder vor Alleinsein in Ihrer Beziehung hält, arbeiten Sie an Ihren Tugenden, vor allem Mut und Weisheit!
Hinweis 3:
Führen Sie Tagebuch zu den Tiefpunkten und Ereignissen in Ihrer Beziehung, damit Sie das Erlebte nicht mehr verdrängen können. Es geht dabei darum, eine realistische Bilanz der Alltagsabläufe in der Beziehung zu erhalten. Gerade wenn Stress, Aggressionen und Manipulationen chronisch geworden sind, besteht die Gefahr, sich an diese Ereignisse zu gewöhnen. Dann werden die Maßstäbe für Respekt, eigene Bedürfnisse und Lebenszufriedenheit oft in eine ungünstige Richtung angepasst. Machen Sie sich bewusst, dass Sie das Recht auf eine gesunde und respektvolle Partnerschaft haben. Notieren Sie auch Ihre Fortschritte im Umgang mit Ihrer Situation!
Hinweis 4:
Setzen Sie Grenzen für unerwünschtes und respektloses Verhalten Ihres Partners! Sie können diese Grenzen mit klaren Signalen („Nein, so nicht!“, „Stopp!“) oder Rückzug deutlich machen. Verstricken Sie sich nicht in lange, unfruchtbare Streitereien. Sprechen Sie über Ihre Fortschritte mit einer Person Ihres Vertrauens oder einem Therapeuten (siehe Pkt.
Hinweis 5:
Machen Sie sich klar, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, in einer toxischen Beziehung zu bleiben! Kinder, Geld, Sicherheit oder was auch immer können den Schaden, den Sie erleiden, nicht wettmachen. Psychische Gesundheit, Stressreduktion und Wohlbefinden sind die relevanten Ziele. Diese können Sie alleine besser erreichen, wenn die zehn Punkte auf Ihre Lage zutreffen. Eine neue Beziehung können Sie späterhin beginnen.